3 Fragen an: Volker Müller (Europäische Handelskammer in China)

„China ist weltweit der Gesundheitsmarkt mit dem größten Wachstumspotential“, Volker Müller spricht im Interview zu den Chancen des chinesischen Gesundheitssektors.

Corona bedingt hat der Gesundheitssektor einen besonderen Schub in China bekommen. Was sind kluge Maßnahmen und Strategien für deutsche Unternehmen für ihre Aktivitäten im Chinesischen Gesundheitssektor?

China ist weltweit der Gesundheitsmarkt mit dem größten Wachstumspotential. Die Zuwachsraten werden auch in Zukunft deutlich über denen des BSP liegen. Aber die Anforderungen unterscheiden sich oft von denen in Europa, z.B. bei regulatorischen Fragen oder unterschiedliche Prozeduren in Krankenhäusern. Was sich empfiehlt, ist, den chinesischen Markt bereits in der frühesten Phase der Produktentwicklung mit zu berücksichtigen. Innerhalb Chinas ist der Markt sehr divers, bedingt durch unterschiedliche Klimazonen -von sibirisch bis tropisch- und ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen. Auch für KMU gibt es Nischenmärkte im Gesundheitsmarkt. Eine „Nische“ in China kann sehr groß sein, sie zu identifizieren ist aber oft nicht einfach. Darum ist eine Präsenz in China mit kurzen Wegen zu den Kunden sehr zu empfehlen. Bei den pro-Kopf-Ausgaben im Gesundheitswesen ist China immer noch ein Schwellenland. Innovative Produkte sind gefragt, aber gleichzeitig spielt der Preis eine große Rolle, „Over-engineering“ sollte man vermeiden!

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Volker Müller, Dipl. – Ing. Elektrotechnik, ging 1987 zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Universität Chongqing, China. Nach einigen Jahren in Shanghai, seit 2000 feste Heimat in Beijing, wechselte er in den Bereich medizinische Geräte. Seit 2014 ist Volker Müller bei der Europäischen Handelskammer in China tätig mit Arbeitsschwerpunkt Gesundheitsreform in China.

Was sind aktuell die wichtigsten Themen im Gesundheitssektor für deutsche Unternehmen in China oder beim Markteintritt nach China?

Lange Zeit war die Zulassung von Arzneimitteln und medizinischen Produkten das größte Hindernis für den Marktzugang in China. In dieser Hinsicht hat sich die Situation entspannt, Vorschriften und Normen sind inzwischen weltweit sehr viel besser harmonisiert. Seit etwa drei Jahren nimmt die chinesische Krankenversicherung zunehmend Einfluss auf den Einkauf sowie Abrechnungsverfahren in Krankenhäusern, mit dem Ziel die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen. Ähnlich wie in Deutschland werden Fallkostenpauschalen (DRG) zur Erstattung von Krankheitskosten herangezogen. Einkaufszentren bündeln den Bedarf, z.B. aller Krankenhäuser einer Provinz, um durch Großeinkauf Rabatte herauszuhandeln. Beim Einkauf von medizinischen Geräten verstärkt sich dabei die Tendenz, in China hergestellte Produkte zu bevorzugen. Einkaufspolitik, Störungen in der weltweiten Logistik, vereinfachte Zulassung medizinischer Produkte nach Transfer der Produktion nach China, das Freihandelsabkommen RCEP – all das sind Gründe dafür, dass die Produktion in China für China und für Asien verstärkt zu einer attraktiven Option wird.

In welches Feld würden Sie momentan im Gesundheitssektor in China investieren?

Große internationale Firmen waren und sind sehr erfolgreich in China. Die Tendenz geht dahin, mehr F&E in China anzusiedeln und die spezifischen Stärken verschiedener Standorte zu kombinieren. China ist weltweit führend in KI und mobiler Kommunikation, während z.B. in der Feinmechanik der deutschsprachige Raum deutlich stärker ist. Viele KMU sind in China bisher nur mit Distributoren vertreten. Die Gesundheitspolitik in China ist in einem permanenten Reformprozess begriffen; Kunden erwarten zunehmend Service und Training nach mitteleuropäischem Niveau. Dies sind gute Gründe, das China-Geschäft mehr zu zentralisieren und selbst eine Präsenz in China aufzubauen. Bisher konzentriert sich die deutsche/europäische Industrie auf den Krankenhausmarkt. Der Home-Care- und Pflege-Markt gewinnt aber stark an Bedeutung. Mitteleuropäische Firmen sind sehr stark darin, pflegebedürftigen Patienten individualisierte Pflegedienstleistungen anzubieten. Auch in China ist dies ein Zukunftsmarkt. Typischerweise sehr patientennahe Dienstleistungen im fernen China anzubieten ist deshalb eine lohnende Herausforderung.

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Volker Müller

Volker Müller, Dipl. – Ing. Elektrotechnik, ist Absolvent der TU Braunschweig. Er begann seine berufliche Laufbahn mit F&E – Projekten im Bereich Artificial Vision. 1987 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Universität Chongqing, China. Dort wurde Volker Müller als „herausragender ausländischer Wissenschaftler“ der Provinz Sichuan ausgezeichnet. Nach einigen Jahren in Shanghai, seit 2000 feste Heimat in Beijing, wechselte er in den Bereich medizinische Geräte. Er arbeitete als Chief Representative und Geschäftsführer deutscher Firmen in China. Seit 2014 ist Volker Müller bei der Europäischen Handelskammer in China tätig mit Arbeitsschwerpunkt Gesundheitsreform in China. Er ist Autor von 40 Veröffentlichungen. In seiner Freizeitübersetzt Herr Müller chinesische Literatur ins Deutsche.