5G: Wettrennen im Weltmarkt

Symbolbild 5G in China
Quelle: Adobe Stock; © Sikov

Der Kampf um Anteile im Weltmarkt 5G ist in vollem Gange. Neben chinesischen
Unternehmen wie Huawei oder ZTE oder den Skandinaviern Nokia und Ericsson versuchen
auch deutsche Spieler wie die Deutsche Telekom ein Stück vom Marktkuchen zu gewinnen.
Das Geschehen ist von Allianzen, hohen Investitionen und Kämpfen geprägt, so z.B.
US-Boykotte gegen Huawei und ZTE, die Auftragsvergaben von China Unicom an Nokia
oder die Aufrüstung aller BMW-Werke in China auf 5G. Laut GMSA werden 5G-Netze bis
2025 bereits für ein Drittel der Weltbevölkerung zur Verfügung stehen – und im Hintergrund
wird schon am Start von 6G gearbeitet. Expertenumfrage von GEORG VON STEIN

Wie entwickelt China den 5G-Standard weiter?

Claudio Chiandussi Associate Partner, EY:

China treibt den 5G-Standard mit hoher Geschwindigkeit voran. Bis 2025 wird es in China 576 Mio. 5G-Verbindungen geben. Die CAICT prognostiziert einen Anstieg der Wirtschaftsleistung infolge von 5G um 2,9 Bio. RMB, was 363 Mrd. EUR entspricht. Mit einem weltweiten Anteil von dann 41% wird China der größte globale 5G-Markt sein.

Mehrere Faktoren begünstigen dabei die 5G-Entwicklung in China: Erstens beschleunigt die chinesische Regierung insbesondere nach COVID-19 den Rollout von 5G noch mehr. Zweitens: Die hervorragende 4G-Infrastruktur in China kann man für die Bereitstellung Trends Expertenumfrage von 5G adaptieren. Drittens findet man in China sehr viele Glasfasernetzwerke, genauso wie kleine Stationen („small cells“).

Es gibt aber auch begrenzende Faktoren: Aktuell ist das 5G-Geräte-Ökosystem weniger ausgereift und Einstiegspreise für entsprechende Endgeräte sind hoch. Und 5G wird in China im Moment noch eher als eine Technologie für die größten Städte angesehen, denn für mittelgroße und kleine Städte sind Kosten für die Einführung der Glasfaserinfrastruktur noch ziemlich hoch.

Dr. Roland Rohde Chief Representative Hongkong and South-West China, Germany Trade and Invest:

Die großen Anbieter wie Huawei und ZTE werden zunächst kleinere technische Anpassungen und Verbesserungen vornehmen. Gleichzeitig werden sie ihre Abhängigkeit von ausländischen Zulieferungen, insbesondere aus den USA, reduzieren. Die USA haben bereits Lieferboykotte gegen die beiden chinesischen Firmen verhängt. Es geht ja um einen Wettstreit um Zukunftstechnologie. China denkt dabei sehr langfristig. So will es z.B. bei Halbleitern den Rückstand zu den USA und Taiwan aufholen – was allerdings ein langwieriger, risikoreicher und teurer Weg mit ungewissem Ausgang ist, denn Firmen aus USA und Taiwan lassen sich nicht einfach die Butter vom Brot nehmen. Außerdem fallen in der Halbleiterindustrie riesige Investitionssummen an, die selbst Chinas finanzielle Fähigkeiten übersteigen könnten.


Porträt Dr. Roland Rohde, Chief Representative Hongkong and South- West China, GTAIDr. Roland Rohde
Chief Representative Hongkong and South-West China, GTAI
Dr. Roland Rohde berichtet seit 12 Jahren für die GTAI (Germany Trade
and Invest) von Hongkong aus über Branchen und Märkte – Schwerpunkt
Elektronik- und IKT-Sektor – in der VR China. Er promovierte in Volkswirtschaft über die politische Ökonomie des „East Asian Miracle“
und spricht fließend Chinesisch.


Die Verschuldung der chinesischen Unternehmen ist bereits jetzt die höchste in Asien. Ich denke, man wird sich langfristig auf 6G konzentrieren, um dort dann im großen Stil globale Standards setzen zu können. Bereits jetzt werden in China Forschungslabore und -teams für 6G gegründet. Bis 6G Realität wird, wird es aber vermutlich über 2030 hinaus dauern. 5G hingegen wird zwischenzeitlich völlig neue technische Lösungen – u.a. bei Virtual- und Augmented Reality – in unterschiedlichsten Branchen ermöglichen.

Jing Li Geschäftsführerin, Youpin International:

In China ist der Staat bzw. die Partei  immer die treibende Kraft; sie schafft die Rahmenbedingungen, definiert technische Standards und entwickelt eine langfristige Strategie. Die Chinesen nennen das „ganzheitliche Betrachtung“, etwas, das in vielen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle spielt. Konkret hat die Regierung der Cyberspace Affairs Commission die Verantwortung übertragen, das 5G-Netz in China voranzutreiben. Sie macht z.B. Vorschläge für Gesetzesänderungen oder Entwicklungspläne für ganze Industrien. Die Kommission betreibt dann in den einzelnen Regionen Büros vor Ort, die dann Umsetzungen begleiten und Berichte über die Weiterentwicklung von 5G an die Zentralregierung liefern.

Wichtig ist auch die chinesische Akademie für Informations- und Kommunikationstechnologie, unter deren Leitung die IMT-2020 5G Promotion Group und die drei größten chinesischen Telekommunikationsbetreiber Sicherheitstests für die 5G-Basisstationen und die Kernnetzausrüstung von Huawei und ZTE durchführten.

Was sind die Pläne der großen Anbieter in China, den USA und Deutschland?

Dr. Georg Beckmann Associate Partner, EY:

In China werden die Unternehmen mithilfe neuer 5G-Terminals ein breiteres Spektrum an IKT-Diensten anbieten und neue Inhalte sowie Anwendungen entwickeln. Außerdem werden sich die Preise für Endgeräte reduzieren. China Mobile – nach Kundenzahl weltweit größter Betreiber – hat kürzlich einen 5G-Auftrag im Wert von 37,1 Mrd. CNY (4,7 Mrd. EUR) größtenteils an Huawei und ZTE vergeben.

In Deutschland dominiert die Deutsche Telekom den für 5G wichtigen Glasfaser-Rollout. Laut Angaben der Telekom sollen bis Ende 2020 50% der Kunden von 5G profitieren können, weil mehr als 12.000 Antennen für den 5G-Betrieb vorbereitet sind. Für den Rollout bis 2022 müssen Anbieter, die in den deutschen 5G-Auktionen von 2019 festgeschriebenen hohen Auflagen erfüllen. Vodafone, Telefónica und 1&1 verfolgen dabei im deutschen Markt ebenfalls ambitionierte Rollout-Pläne.


Porträt Dr. Georg Beckman, Associate Partner, EYDr. Georg Beckmann, Associate Partner EY
Dr. Georg Beckmann ist Associate Partner im Strategy and Transaction
Team von EY. Nach seinem Berufseinstieg bei der Deutschen Telekom spezialisierte er sich auf die Transaktionsberatung mit Fokus auf den TelCo-Sektor und betreute zahlreiche europäische und globale PMI- sowie Restrukturierungsprojekte.


In den USA bauen alle vier zentralen Mobilfunkbetreiber – AT&T, Sprint, T-Mobile und Verizon – die 5G-Infrastruktur auf. Telekommunikationsunternehmen haben selbst während des Corona-Lockdowns Huawei, Nokia und Ericsson mit der Lieferung von 5G-Lösungen beauftragt, z.B. für Hochgeschwindigkeits-Videoübertragungen oder selbstfahrende Autos.

Dr. Roland Rohde:

Huawei, ZTE, BKK Electronics und die anderen großen Spieler werden zunächst die 5G-Netzabdeckung in China ausbauen. Erst mal werden aber wesentlich mehr 4G-Endgeräte als 5G-Smartphones verkauft. Insgesamt schwächelt der Smartphonemarkt in China 2020 noch. Wegen der schlechteren Konjunktur sitzt den Menschen das Geld nicht mehr so locker in der Tasche, zumal die Endgeräte immer teurer werden. Der staatliche Think Tank CAICT geht für den IKT-Sektor für 2021 von rund 200 Mio. 5G-Nutzern aus. Zwei Jahre später sollen es über eine halbe Milliarde sein. 2026 würde man sich der 1-Mrd.-Grenze nähern und damit dann mehr 5G- als 4G Kunden aufweisen.

Gleichzeitig haben Huawei & Co. beim Aufbau der 5G-Netze für andere Länder schon viele lukrative Verträge abgeschlossen. Doch Regierungen könnten bestehende Abmachungen aufkündigen, denn insbesondere im Westen haben die Bedenken gegenüber China und wegen möglicher Ausspionierung über 5G-Technologien zugenommen. China wird sich daher auf die Entwicklungs- und Schwellenländer konzentrieren. Hier können Huawei und ZTE mit deutlich geringen Kosten gegenüber Ericsson oder Nokia punkten. Gegebenenfalls wird China beim 5G-Ausbau auch günstige Kredite zur Verfügung stellen, wie bei der Seidenstraße-Initiative.

Jing Li:

Technologie ist das eine, Politik das andere. Die USA und später Großbritannien haben ja deutlich gemacht, dass sie aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht willens sind, 5G mit ZTE und Huawei-Technologie zu entwickeln. Vorteilhafter für eine immer kleinere Welt wäre aber eine engere Zusammenarbeit. Die Lösung für Huawei müsse laut Gründer Zhengfei Ren in zwei Richtungen gehen: Einerseits werde der Boykott als Antrieb gesehen. Wörtlich sagte er neulich in einem Interview: “Wir finden nicht genug Akzeptanz, weil wir noch nicht gut genug sind”. Andererseits fordert Ren Zhengfei mehr gegenseitiges Verständnis. Kulturelle Missverständnisse und Fehlinterpretationen führten zu Misstrauen und Abschottung. Er empfiehlt Huawei, die westliche Kultur noch besser kennenzulernen. Gleichzeitig möchte er aber auch chinesische Werte im Westen bekannter machen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch