An der Schwelle zum Jahr der Schlange

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Wenn diese Zeilen erscheinen, bereiten sich die Chinesen vom 28. auf den 29. Januar auf den Beginn ihres neuen Jahres vor: es beginnt das Jahr der Schlange.

Ob die Stimmung ausgelassen sein wird, wenn in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar die Schlange vom Drachen das Zepter übernimmt, bleibt abzuwarten. Gerade erst hat das Zentrale Statistikamt der VR China verkündet, die chinesische Wirtschaftsleistung habe im vergangenen Jahr um 5% zugelegt – die Zahl, die als magisch betrachtet wird, um den Dampfer China auf Kurs zu halten.

China vor dem Beginn des Jahres der Schlange
China vor dem Beginn des Jahres der Schlange; Foto @Peter Tichauer

Kaum lief die Nachricht über den Ticker, meldete sich Oliver Oehms zu Wort. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Nordchina verwies auf die schwache Binnennachfrage und den Preisdruck im Markt, ‚dem sich deutsche Firmen angesichts der immer stärker werdenden chinesischen Konkurrenz zunehmend stellen müssen. Die Stimmung sei entsprechend ‚wesentlich trüber, als die Wachstumszahlen vermuten lassen‘.

Mit Blick auf das neue Jahr spricht er von ‚realistischen Erwartungen‘ der Unternehmen in einem schwierigen Umfeld. Der chinesische Markt behielte aber für das Gros der Firmen eine zentrale Bedeutung, ‚nicht zuletzt als Innovationsstandort‘. In einem WeChat-Post hatte dies einen Tag zuvor der Shanghaier Repräsentant des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA, Daniel Yoo, treffend formuliert: China sei das Fitness-Studio für unsere Industrie – Innovation finde hier statt.

Der Schlange wird eine Portion Weisheit nachgesagt – und ausgeprägte Intuition. Kombiniert mit dem Element Holz, wie es dieses Jahr der Fall ist, werde sie viel Energie haben, kreativ sein und flexibel.

Holzdrache - er übergibt an die Schlange
Holzdrache – er übergibt an die Schlange

Genau darauf wird es im neuen Jahr ankommen. Für China heißt das, einerseits Wege zu suchen, den Konsum als Wachstumsfaktor (endlich) zu stärken und alles daranzusetzen, die sogenannten neuen Produktivkräfte zu entfalten, um im erwartungsgemäß härter werdenden geostrategischen Wettbewerb zu bestehen. Das ist weniger eine Strategie des Ausgrenzens oder Abschottens, sondern in erster Linie eine Antwort auf globale Entwicklungen der vergangenen Jahre, die, so ist zu erwarten, an Schärfe zunehmen werden.

Internationale Unternehmen und ihr Engagement sind nach wie vor willkommen. Dass die Erwartungen an sie andere als zu Beginn der Reform- und Öffnungspolitik sind, ist selbstverständlich. Die Welt hat sich weitergedreht. Chinas Wirtschaft ist längst nicht mehr Bittsteller für billige westliche Technologie. Unternehmen des Landes spielen in vielen Bereichen weltweit in der ersten Liga mit, wenn nicht gar die erste Geige.

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In diesem Umfeld ist die Herausforderung für ausländische Firmen, noch gezielter zu überlegen, wie sie nicht nur Teil der chinesischen Strategie werden, sondern auch von ihr noch stärker profitieren können. In China für China heißt es nicht erst seit gestern. Für das Morgen hat es eine noch größere Bedeutung. Das heißt auch, neue Wachstumsregionen im Land zu finden, alternative oder zusätzliche Standorte. Es geht ganz und gar nicht darum, sich durchzuschlängeln, sondern, auf die Stärken der Schlange bauend, ein neues Kapitel zu schreiben.

Das gilt für China ebenso wie für ausländische Unternehmen in China. Damit ‚gemeinsam gestalten und gemeinsam profitieren‘ nicht nur leere Worte sind. Für keine der beiden Seiten.

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Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.