Besser die Stärken stärken

Deutschland China CAI

Ein sich wiederholendes Ritual: Anstatt den Rahmen für die Stärkung der Stärken zu optimieren, wird versucht, vermeintliche Konkurrenten fernzuhalten.

Jetzt bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Nicht anders lässt sich der Wille der EU-Kommission interpretieren, so schnell wie möglich Strafzölle auf Elektroautos made in China zu verhängen, wie es kurz vor dem EU-China-Gipfel bekräftigt wurde. Trotz Widerstand europäischer Hersteller, die eher Nach- als Vorteile sehen.

MOEDL 3?!

Treiberin ist Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Angesichts steigender Importe elektrisch betriebener Autos aus China[1], die offensichtlich bei europäischen Verbrauchern zunehmend auf Akzeptanz stoßen, macht sie „deutliche Hinweise auf massive Subventionen“ aus. Ins Visier rücken dabei auch chinesische Fördermaßnahmen für die Ansiedlung von Unternehmen, von denen auch ausländische Hersteller profitieren, die Teil der chinesischen Wertschöpfungskette für sogenannte NEV, New Energy Vehicle, werden und selbstverständlich auch gute Geschäfte auf dem europäischen Markt machen wollen. Als ob es die massive Tesla-Förderung in Grünheide nicht gegeben hätte.

Europas Vorgehen erscheint umso kurioser, als europäische Länder, allen voran Deutschland, auf der derzeit tagenden Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai fordern, China solle seiner Verantwortung für das globale Klima nachkommen. Dabei werden mindestens zwei Fakten ausgeblendet: Zum einen wird vergessen, dass Chinas Umweltsünde nicht ausschließlich eigenverschuldet ist. Internationale Konzerne haben die niedrigen Umwelthürden zu Beginn der chinesischen Öffnungspolitik durchaus willkommen geheißen. Und dabei kräftig Gewinne gemacht. Chinas negativen Klima-Fußabdruck haben sie zumindest mitzuverantworten.

Selbstbewusst Stärken zeigen: Sieht aus wie eine Kreuzung aus Tesla und Dodge Challenger
Selbstbewusst Stärken zeigen: Sieht aus wie eine Kreuzung aus Tesla und Dodge Challenger

Und zweitens wird übersehen, welche Anstrengungen das Land in den vergangenen Jahren unternommen hat, um grünen Fortschritt zu ermöglichen. Keiner sollte daran zweifeln, dass China das selbstgestellte Ziel, 2060 klimaneutral zu sein, erreichen wird. Vermutlich schon eher. So beruht schon heute knapp die Hälfte der Energieerzeugungskapazitäten auf Erneuerbaren. Grüne Nummernschilder für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben verdrängen die blauen für die Verbrenner. Einheimische Marken dominieren. Nicht aus Patriotismus. Sondern weil die Hersteller den Trend der Zeit erkannt haben. Und den Nerv der Kunden besser treffen. Spitzenreiter ist Shenzhen im Süden des Landes. Auf den Straßen der Stadt, die Inbegriff der chinesischen Reformpolitik ist, sind schon heute zwei Drittel aller Fahrzeuge NEV. Welche europäische Stadt kann da mithalten?

Warum sollten also chinesische Hersteller nicht dafür sorgen, dass Europas Städte Shenzhen nacheifern, so wie in vergangenen Jahren neben japanischen vor allem deutsche Autobauer für die Entwicklung des Individualverkehrs in Chinas Städte gesorgt haben. Wer es mit dem Ruf nach chinesischer Verantwortung ernst meint, sollte überlegen, ob es klug ist, die Einfuhr von chinesischen NEV zu verhindern. Wettbewerb kann nicht durch Ausgrenzung gewonnen werden. Und Wirtschaftspolitik sollte weniger vom „Gegen“ als vom „Für“ geprägt sein. Anstatt zu versuchen, Konkurrenten vom Markt fernzuhalten, muss die Devise lauten, die einheimische Wirtschaft zu ertüchtigen, damit sie im Wettbewerb bestehen kann. Schlauer noch ist, in Kooperation mit dem Konkurrenten gemeinsam nach neuen innovativen Lösungen zu streben. Und im Übrigen sollten diejenigen, die seit Jahren über chinesische Marktzugangshürden (zu Recht) klagen, nicht selbst immer wieder versuchen, Schranken zu errichten. So fallen die Hürden bestimmt nicht.

Fotos: @PT / 699pic.com

[1]  Laut China Association of Automobile Manufacturers CAAM exportierte China in den ersten zehn Monaten dieses Jahres weltweit 3,9 Mio. Fahrzeuge, davon ein Viertel mit alternativen Antrieben. Der NEV-Export verdoppelte sich im Jahresvergleich. Größter europäischer Abnehmer war Belgien, gefolgt von Großbritannien und Spanien.

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Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.