Seit dem 2. April ist im globalen Handel nichts mehr, wie es war. US-Präsident Trump feiert, drastische Zölle verkündend, seinen Liberation Day.
Es trifft nicht nur ein Land oder zwei: Die Schockwellen erreichen einem Tsunami gleich alle wichtigen Handelspartner der Vereinigten Staaten. Überrascht dürfte eigentlich keiner gewesen sein. Die Welt war es dann aber doch. Vor allem steht die Frage im Raum: Reagiert die Weltgemeinschaft geschlossen oder jedes Land für sich allein?
Das Pendel muss in Richtung geschlossenes Handeln ausschlagen. Europa werde angemessen reagieren, hieß es etwa umgehend in Brüssel. Das betonte auch Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen: Europa ließe sich nicht erpressen, müsse deutlich werden. Für den Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Volker Treier, reicht das nicht aus: Er sprach von der Hand, die Europa zusätzlich ausstrecken müsse – Richtung Fernost, Lateinamerika, allen, die von den Trump-Zöllen betroffen sind.
Genau dieses ‚Ausstrecken der Hand‘ sollte nicht zu geringgeschätzt werden. Selbstverständlich wird jedes Land, jeder Wirtschaftsblock zunächst für sich selbst entscheiden müssen, welche Reaktion die angemessene ist. Damit stehen sie dann aber auch allein wie das Kaninchen vor der Schlange. Wirtschaftliche Vernunft scheint im Weißen Haus derzeit nicht zu überzeugen. Allein der Wille, Stärke zu zeigen, dominiert dort. Der Wille zu demonstrieren, wer der ‚Herr im Hause‘ ist, sprich: in der Welt.
Kann dem begegnet werden? Mit geschlossenem, mit koordiniertem Handeln jedenfalls eher als durch Einzelaktionen, die wenig miteinander abgestimmt sind. Wenn Trump darauf aus ist, die Grundfesten der Globalisierung zu zerstören, um ‚Amerika wieder stark zu machen‘, muss der Rest der Welt alles daransetzen, zusammenzufinden, Differenzen auszuräumen und das Gerüst der Weltwirtschaft auf neue, stabile Füße zu stellen. Als Gegenpol zu den Trump-USA.

Diverse Freihandelsabkommen, die weitgehend ausgehandelt in den Schubladen liegen und nicht zur Unterschrift gebracht wurden, weil es nicht gelang, Differenzen auszuräumen, sollten wieder auf den Tisch gelegt und so schnell wie möglich zu Ende verhandelt werden. Auch das Investitionsschutzabkommen zwischen China und der Europäischen Union, dessen Ratifizierung am politischen Widerstand einzelner EU-Mitgliedsländer (bisher) scheiterte, auch am Widerspruch aus den USA. Jetzt ist die Zeit, wirtschaftliche Interessen nicht nur neu auszutarieren, sondern zu bündeln. Und den Spieß umzudrehen: anstatt einer gegen alle, alle gegen einen. Bestimmt und gleichzeitig konstruktiv. Ohne weiter zu eskalieren.
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Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, lebt und arbeitet er seit 2018 in der ostchinesischen Küstenmetropole Qingdao.