Während die COVID-19-Pandemie abklingt, aber nach wie vor aber viele Volkswirtschaften rund um die Welt belastet, haben die politischen Entscheidungsträger in China – einem der beiden größten Märkten der Welt nach der Bevölkerungszahl – im vergangenen Jahr wichtige Struktur- und politische Reformen verabschiedet. Somit lohnt sich ein Blick auf die strukturellen und langfristig gegebenen Potentiale des asiatischen Wirtschaftstreibers. Ein Bereich, der in China besondere Aufmerksamkeit verdient, ist die Nachhaltigkeit.
China, mit seinen 1,4 Milliarden Menschen konzentriert sich auf Binnenkonsum sowie technologischen Fortschritt und achtet bei seinem Wachstum zunehmend auf Nachhaltigkeit bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Für Aktieninvestoren, die bei der Titelauswahl einen Bottom-up-Ansatz verfolgen, ergeben sich daraus Chancen. Dazu wollen wir uns die chinesische Volkswirtschaft einmal genauer anschauen.
China auf Reformkurs – mit „Carbonomics“ als Maßstab für Wachstum
Geläufig ist: Chinas Wirtschaft hat die Pandemie gut überstanden. Die „Zwei Sitzungen“ des Nationalen Volkskongresses, bei denen vor Kurzem der 14. Fünfjahresplan bekannt gegeben wurde, brachten willkommene Klarheit über den Kurs der Politik. So soll die Strategie der „Zwei Wirtschaftskreisläufe“ die Abhängigkeit von ausländischen Märkten reduzieren. Das dürfte den Binnenkonsum und die wirtschaftliche Selbstständigkeit stärken, was wiederum ausländische Kapitalzuflüsse anregt. Diese könnten dann Forschung und Entwicklung sowie Investitionen beschleunigen. Somit wäre China in der Lage, seine Wirtschaft allmählich von Basisindustrien zu einer innovationsbasierten Wirtschaft umzubauen.
Innovation und Reformen werden außerdem eine wichtige Rolle dabei spielen, dass China seine CO2-Ziele erreicht. Geplant ist, die CO2-Emissionen ab 2030 zu reduzieren und bis 2060 soll die Volksrepublik dann vollständig CO2-neutral sein. Da mit „Carbonomics“ jetzt Nachhaltigkeit der neue Maßstab für Chinas Wachstum wird, könnte dies durch den CO2-Handel und Investitionen in die Erzeugung erneuerbarer Energie wie Solar- und Windenergie sowie in Elektrofahrzeuge erfolgen.
China mit Millennial-Mentalität und Fokus auf Nachhaltigkeit
In China lebt ein großer Teil der weltweiten Millennial-Generation, die als die einflussreichste Verbrauchergruppe der Welt gilt. Natürlich unterscheiden sich die Entwicklungszyklen in China von denen des Westens. Dennoch rechnen wir damit, dass Konsumverhalten, Präferenzen und Prioritäten der Millennials im kommenden Jahrzehnt zur wirtschaftlichen Transformation in China beitragen werden.
Ein Thema, das bei vielen Millennials – auch in China – obersten Stellenwert hat, ist Nachhaltigkeit. Wir erkennen zahlreiche Chancen, die sich durch den gestiegenen Fokus auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungs- (ESG)-Faktoren ergeben.
In China treiben ESG-Kriterien die Entwicklung von Marktmechanismen für die Preisbestimmung von CO2 und die stärkere Akzeptanz alternativer und erneuerbarer Energiequellen voran. Die Verfügbarkeit der von chinesischen Unternehmen offengelegten ESG-Informationen ist allerdings nicht so vielfältig wie in Industrieländern. Doch die Entwicklung der Kapitalmärkte und die stärkere institutionelle Beteiligung drängen Unternehmen zu mehr Transparenz und einem effizienteren Ressourceneinsatz. Technologischer Fortschritt führt unserer Ansicht nach zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz und zur Förderung und höheren Akzeptanz von alternativen Energien. Dazu zählt beispielsweise die Solarenergie in allen Wirtschaftszweigen und Haushalten.
Chancen, Risiken – und Bewertung
Globale Finanzinstitute, Pensionsfonds, Stiftungen und andere Großanleger investieren heute generell weniger in Schwellenländeraktien als in Aktien aus Industrieländern. Zugleich: Wenn sich die Gewinnwachstumsdynamik bei Schwellenländerunternehmen verbessert, rechnen wir mit mehr Kapitalzuflüssen in die Anlageklasse der Schwellenländeraktien. Und zwar gerade, weil die Bewertungen derzeit attraktiv sind.
In China bleibt die höhere Verschuldung der Unternehmen, die dieses Jahr bereits zu einer Marktkorrektur beigetragen hat, ein Risiko, das beobachtet werden muss. Wir halten die Fundamentaldaten jedoch nach wie vor für stark. Folglich gehen wir davon aus, dass das Gewinnwachstum – und nicht die Stimmung – die Märkte von jetzt an bestimmen wird. Was potenzielle geopolitische Risiken angeht, sind wir der Ansicht, dass Anleger das Beste hoffen, sich aber auf Marktstörungen einstellen sollten.
Hiren Dasani
Hiren Dasani ist Co-Head of Emerging Markets Equity bei Goldman Sachs Asset Management.