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Reisen nach China und Treffen mit Partnern vor Ort sind nach wie vor praktisch unmöglich. Dennoch erlaubten die virtuellen Alternativen zu den wichtigsten Investorenkonferenzen wichtige Einblicke in die aktuelle und wahrscheinliche weitere Entwicklung. Im folgenden wird daher ein Ausblick auf die Wirtschaft in der Volksrepublik und ihren Sonderverwaltungszonen im Jahr 2021 vorgestellt. Weitere Schwerpunkte im China-Ausblick 2021 sind der Handelskonflikt mit den USA, der Einfluss des US-Wahlkampfs darauf und wie sich Chinas nächster 5-Jahresplan auf die Beziehungen der beiden Großmächte auswirken wird.
Chinas Rückkehr zur Normalität
Chinas Wirtschaft erholt sich zusehends vom Corona-Schock: Seit einigen Monaten gibt es in der Volksrepublik praktisch kaum noch Neuinfektionen. Das Rekordhoch vom Februar liegt bereits weit zurück. Das Leben im Land normalisiert sich seither zusehends in immer mehr Bereichen. Auch die stationäre Einzelhandelsumsätze erholen sich, wenngleich die Online-Umsätze nach wie vor deutlich stärker steigen. In den größeren Städten sind die Restaurants oftmals wieder zu mehr als 90 Prozent ausgelastet und auch Großveranstaltungen wie Hochzeiten oder Messen finden wieder statt. Gleichzeitig nimmt auch die Reisetätigkeit wieder zu – allerdings nur innerhalb Chinas.
Macau: Hoffnung auf Inlandstourismus
Da Auslandsreisen weiterhin verboten sind, unternehmen die chinesischen Bürger überwiegend Kurz-Trips innerhalb Chinas und bleiben dabei oft in ihrer jeweiligen Heimatprovinz. Dort bevorzugen sie vor allem Luxushotels, da die meisten Touristen der Ansicht sind, dass diese ein besseres Hygienekonzept hätten. Zu den Regionen, die vom neuen Inlandstourismus aktuell besonders stark profitieren, gehören unter anderem die Insel Hainan und wohl bald auch wieder die chinesische Sonderverwaltungszone Macau. Beide Ziele eignen sich ideal für Kurzurlaube. Die meisten Besucher von Macau kommen direkt aus der benachbarten Provinz Guangdong. Hintergrund ist, dass Guangdong vor Kurzem die Quarantäne-Pflicht für (Rück-)Reisende aus Macau aufgehoben hat.
Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass es während der „Golden-Week“, vom 01. bis 08. Oktober zu einem deutlichen Anstieg der Besucherzahlen kommt. Hiervon würden die in Macau ansässigen Casino- und Resort-Betreiber profitieren, die in den vergangenen Monaten ohne die für sie so wichtigen Glücksspielerlöse auskommen mussten. Ihre Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2020 werden aller Voraussicht nach noch einmal schlecht ausfallen – mit dem vierten Quartal könnte dann aber die erhoffte Besserung eintreten.
Längerfristig bleibt Macau als Destination ohnehin sehr interessant, da es realistisch erscheint, dass der Pekinger Zentralregierung sehr viel am Erfolg dieser zweiten Sonderwirtschaftszone, neben Hong Kong, gelegen ist. Darüber hinaus möchte man, um keine Unruhen wie in Hong Kong zu riskieren, die Zufriedenheit der Bevölkerung sicherstellen.
Gedämpfte Aussichten für Hong Kong
Anders sieht es in Hong Kong aus: Hier dürfte die wirtschaftliche Erholung sich unter dem doppelten Eindruck der Corona-Maßnahmen und Ausschreitungen generell deutlich länger hinziehen. Das Ausbleiben der Touristen und Investoren vom chinesischen Festland belastet die Metropole weiterhin massiv. Es ist daher davon auszugehen, dass die Immobilienpreise in Hong Kong zunächst einmal weiter nachgeben dürften. Ausgehend vom letzten Hoch sind die tatsächlichen Transaktionspreise mittlerweile wohl schon jetzt mehr als 20 Prozent gefallen.
Auch eine schnelle Erholung der Umsätze im Einzelhandel – selbst erst im Jahr 2021 – ist aus heutiger Sicht unrealistisch. Immobiliengesellschaften mit Schwerpunkt in Hongkong, die dortige Hotellerie und Gastronomie sowie die Einzelhändler dürften daher vor einem weiteren schwierigen Jahr stehen. Grund für die verzögerte Erholung sind weniger die Corona-Maßnahmen vom Frühjahr 2020 als die massiven Ausschreitungen in der Stadt. Die Hong Kong-Politik der chinesischen Zentralregierung genießt bei den Chinesen auf dem Festland großen Rückhalt. Sie sehen die Proteste hauptsächlich als einen Angriff auf sich und die Volksrepublik. Erfahrungsgemäß werden Länder oder Städte, die sich nach Meinung der Bürger gegen China wenden, von da an von chinesischen Touristen gemieden. In der Regel dauert es Jahre, bis sich die Zahlen wieder normalisieren.
Chinesischer Patriotismus unter Jinping Xi gestärkt
Nicht nur die Hong Kong-Politik, auch das Management der Corona-Krise durch Präsident Jinping Xi und die Zentralregierung findet weiterhin großen Zuspruch in der chinesischen Bevölkerung. Während hier der führende chinesische Virologe Zhong Nanshan als Held gilt, stellt der amerikanische Präsident Trump sein US-Pendant Dr. Fauci oftmals an den Pranger. Es scheint, dass die chinesische Zentralregierung und damit auch die kommunistische Partei einen viel größeren Rückhalt in der chinesischen Bevölkerung haben, als westliche Medien im Allgemeinen annehmen und berichten. Ein China-Ausblick muss daher, auch über 2021 hinaus, berücksichtigen, dass der Patriotismus in China unter Präsident Xi zugenommen hat.
Luxussektor profitiert von steigender Binnennachfrage
In China sind ausgewählte „domestic brands“ klar auf dem Vormarsch, seit die Chinesen vermehrt heimische Produkte kaufen. Dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen. Das bedeutet im Gegenzug zu erwartende Umsatzverluste für viele westliche und vor allem US-Konsumgüterhersteller, da ihre Produkte auf dem oft so profitablen chinesischen Markt dann weniger nachgefragt werden könnten als bisher. Die Ausnahme dürften allerdings die Hersteller von qualitativ hochwertigen Luxusartikeln sein. Für sie sind die chinesischen Konsumenten schon heute die mit Abstand wichtigste Kundengruppe. Ihr Absatz in China boomt zurzeit, denn teure Handtaschen & Co. sind aktuell wieder sehr gefragt. Dabei gibt es aber einen wichtigen Unterschied zu der Zeit vor Corona: Während früher Luxusartikel bevorzugt in Mailand, Paris, London oder New York gekauft wurden, hat sich, unter dem Eindruck der Reisebeschränkungen, dieser Absatz jetzt komplett ins Inland verlagert. Die Betreiber der Luxusmalls in Tier-1-Städten wie Shanghai berichten dementsprechend auch von zuletzt sehr guten Geschäften.
Im China-Ausblick dürfte der wachsende Binnenkonsum 2021 und auch in den kommenden Jahren der wichtigste Treiber und gleichzeitig auch Stabilisator des chinesischen Wirtschaftswachstums sein. Hier besteht noch ein großes Wachstumspotenzial. Während der Konsum in China aktuell für ca. 38 Prozent des BIP steht, liegt dieser Anteil in westlichen Industrienationen oft bei bis zu 70 Prozent. In den USA sind es sogar noch einmal etwas mehr. Mit der verstärkten Fokussierung auf den Binnenkonsum und die gezielte Förderung spezifischer Regionen und Technologien will China die eigene Wirtschaft in Zukunft unabhängiger vom Ausland machen. Die Förderung der Autarkie dürfte denn auch erklärtes Ziel im kommenden 14. Fünf-Jahresplan sein. Dieser wird im März 2021 verabschiedet werden.
Keine Kehrtwende im Handelskonflikt mit den USA
Selbst unter einem möglichen neuen US-Präsident Biden dürften die bestehenden Spannungen zwischen China und den USA weiterbestehen. In einem solchen Fall könnte aber zumindest der Ton zwischen beiden Parteien moderater werden. Dennoch dürfte eines der wichtigsten strategischen Ziele des nächsten Fünf-Jahresplans, neben einer massiven Stärkung der chinesischen Binnennachfrage, die zunehmende Autarkie von wichtigen Rohstoffen, Energie und technologischen Schlüsseltechnologien wie beispielsweise Computerprozessoren sein. Damit wiederum dürfte das Streben nach Technologieführerschaft auch in den kommenden Jahren im Mittelpunkt des Konflikts mit den USA stehen. Denn hierin sind sich viele Experten einig: „Semiconductors are the battleground“.
Die daraus resultierenden Folgen für die Chipbranche, insbesondere für die großen US-Produzenten wie Intel deren China-Umsätze oft deutlich über 20 Prozent liegen, sind im China-Ausblick für 2021 und auch darüber hinaus nur sehr schwer abzuschätzen. Sollten die USA ihrer „Blacklist“ neben Huawei weitere wichtige Technologieunternehmen aus China hinzufügen, dürften vergleichbare Reaktionen der chinesischen Seite folgen.
Die lachenden Dritten wären dann mitunter Chiphersteller aus Südkorea oder Japan. Aber noch verhält sich China strategisch und abwartend. Die Antworten auf Trumps Politik waren bisher sehr zurückhaltend. Das könnte sich aber nach dem US-Wahlkampf schnell und deutlich ändern.
Verstärkte Infrastruktur-Investitionen im Inland
Zwar hat China die Corona-Krise effektiver gemanagt als die meisten anderen Ländern und auch die jüngsten Wirtschaftsdaten überzeugten, aber im China-Ausblick 2021 gibt es dennoch zahlreiche Unsicherheiten, was das erwartete Wirtschaftswachstum angeht. Zurzeit liegen die Wachstumsprognosen für das chinesische BIP 2021 bei ca. 8,4 Prozent. Eine deutliche Erholung nach den geschätzten +2,7 Prozent für 2020. Zur Sicherstellung dieses Wachstums wird die Regierung der Volksrepublik bis mindestens 2021 auf Maßnahmen zur Stimulation der Wirtschaft zurückgreifen. Wie schon in den Jahren zuvor werden daher auch im nächsten Jahr Milliarden Renminbi in Infrastrukturprojekte fließen. Aktuell bereiten viele der Lokalregierungen daher zahlreiche neue Projekte vor, damit sie möglichst schnell genehmigt und umgesetzt werden können. Anders als noch zuletzt scheint sich China aber jetzt verstärkt auf Projekte im Inland zu fokussieren. Die multinationalen Projekte wie die „Belt and Road Initiative“, oft auch als „neue Seidenstraße“ bezeichnet, haben vergleichsweise an Bedeutung verloren.
China-Ausblick 2021: Erneuerbare Energien im Fokus
Neben einer weiteren Verbesserung der Transportinfrastruktur investiert die Volksrepublik verstärkt in den Gesundheitssektor. Aktuell wächst dieser knapp doppelt so stark wie das chinesische BIP. In Teilbereichen wie der Telemedizin liegen die Wachstumsraten zurzeit sogar bei über 35 Prozent. Hohe Priorität genießen auch gezielte Investitionen für den Ausbau des flächendeckenden 5G-Netzes im Land und die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Beides wird für die chinesische Mobilitätswende benötigt, denn der Absatz von Elektroautos in China wird erwartungsgemäß in den nächsten Jahren um rund 25 bis 30 Prozent wachsen – und das jährlich.
Dazu passen auch die gigantischen Investitionen in Erneuerbare Energien, die geplant sind. Vornehmlich Solar- und Windenergie werden stark gefördert. Dies erscheint zusätzlich plausibel, da China so seinem Ziel einer verringerten Abhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland näherkommt. Dementsprechend ist der Bereich der Erneuerbaren Energien, oft auch „Cleantech“-Sektor genannt, ein aussichtsreiches Segment.
In jedem Fall sollten diese erhöhten Infrastrukturausgaben auch mit einer steigenden Metall- bzw. Rohstoffnachfrage einhergehen – wovon der Rohstoff- bzw. Basic-Resources-Sektor profitieren könnte.
Stefan Breintner
Stefan Breintner ist stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, die seit 45 Jahren als unabhängige Vermögensverwaltung am Kapitalmarkt aktiv ist. Der Anspruch der DJE Kapital AG ist, ihren Kunden weitsichtige Kapitalmarktexpertise in allen Marktphasen zu bieten.