Neueste Erfahrungen der Beratungspraxis lassen einen neuen Trend der europäisch-chinesischen Zusammenarbeit erkennen. Während in den letzten Jahren von europäischen Unternehmen vermehrt 100%ige Tochterfirmen gegründet wurden, besteht in jüngster Zeit wieder Bedarf an der Gründung eines chinesisch-europäischen Partnerunternehmens, dies insbesondere unter der Besonderheit der Direktbeteiligung des chinesischen Unternehmens an der europäischen Gesellschaft.
Joint Ventures als geeignete Beteiligungsform für den Einstieg europäischer Unternehmen in China
Mit der Aufnahme Chinas in die WTO im Jahr 2001 deklarierte Jim O’Neill China als eine der aufstrebenden Volkswirtschaften. Neben rechtlichen Schwierigkeiten waren insbesondere die Divergenz zwischen chinesischem und europäischem Verständnis von Handel sowie strukturelle und kulturgeprägte Unterschiede in der Unternehmensleitung ursächlich dafür, dass sich ausländische Investoren an chinesischen Unternehmen fast ausschließlich mittelbar durch die Gründung von Joint Ventures beteiligten. Diese Beteiligungsform ermöglichte es den europäischen Unternehmen insbesondere an den bestehenden Verbindungen des chinesischen Unternehmens zu Handelspartnern und Behörden zu partizipieren. Nicht zuletzt sorgten das mangelnde Verständnis des chinesischen Marktes sowie der damit einhergehende Respekt vor unbekannten Marktmechanismen für die damals vorherrschende Begeisterung für Joint Ventures: Sie ermöglichten dem ausländischen Investor nicht nur die Teilhabe an einem florierenden Unternehmen, sondern schufen gleichermaßen die Basis für eine Partizipation an den Erfahrungen des chinesischen Partnerunternehmens.
Die rechtliche Umsetzung der Bildung eines solchen Partnerunternehmens ist nach chinesischem Recht entweder mittels einer direkten Beteiligung an einem als Limited ausgestalteten Joint Ventures in China oder über eine sogenannte Hongkong Limited möglich. Bei einer Hongkong Limited gründet das europäische Unternehmen eine 100%ige Tochterfirma in Hongkong ebenfalls in der Rechtsform der Limited. Diese hält die Anteile an dem Joint Venture in Festlandchina. Diese zweistufige Struktur wird von europäischen Unternehmen für den Markteintritt in China weiterhin gern gewählt, da die Hongkong Limited in der Praxis schnell gegründet und die Bildung einer weiteren Verwaltungsstufe kurzfristig möglich ist. Zudem kann diese Beteiligungsform steuerliche Vergünstigungen hervorrufen. Ein weiterer praktischer Vorteil ist die Möglichkeit, die Veräußerung der Anteile an der Limited in Hongkong vergleichsweise unproblematisch durchzuführen, während die Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften in Festlandchina oft zeitaufwendige Genehmigungen erfordert.
Mittlerweile ist eine unbedingte Abhängigkeit von einem chinesischen Partnerunternehmen nicht mehr zwingend und in vielen Geschäftsbereichen rechtlich nicht (mehr) verpflichtend. Europäische Unternehmen sammelten in den letzten Jahren eigene Erfahrungen, begründeten eigene Vertriebskanäle und etablierten Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern sowie Behörden. Der Respekt vor einem fremden Markt, der unbekannten Regeln und Prinzipien folgt, schwand zunehmend. Nach einer von der Deutschen Außenhandelskammer in China sowie der German Chamber of Commerce in China und The German Chamber Network durchgeführten Studie ist das Resultat dieser Entwicklung deutlich: Mittlerweile ist eine 100%ige Tochterfirma (Wholly foreign owned entity – WFOE) die von deutschen Unternehmen am meisten verwendete Rechtsform. 45% der in China tätigen deutschen Unternehmen sind bereits seit zehn Jahren in der Volksrepublik vertreten, 60% von ihnen dem deutschen Mittelstand zuzuordnen.
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