Chinesische Übernahmen und Beteiligungen stellen keine Bedrohung für den deutschen Mittelstand dar. Zu diesem Schluss gelangten rund 200 M&A-Spezialisten aus ganz Deutschland auf dem 14. Deutschen Corporate M&A-Kongress in München. Während einer Podiumsdiskussion, das den aktuellen internationalen Trends im Bereich Fusionen und Übernahmen gewidmet war, stimmten die Experten ab. Für die meisten M&A-Profis überwiegen eindeutig die Vorteile des chinesischen Engagements.
Moderiert wurde das Panel mit dem Titel „Internationale M&A – eine aktuelle Bestandsaufnahme“ von Professor Kai Lucks, dem Vorsitzenden des Vorstands Bundesverband Mergers & Acquisitions. Seine provokante Eingangsfrage, ob der Mittelstand in Deutschland durch die verstärkten M&A-Aktivitäten aus China bedroht werde, verneinte Alexander Ballmann, Partner bei der Kanzlei Ashurst, ganz eindeutig. Tatsächlich hätten chinesische Investoren mit ihren Übernahmen in den letzten Jahren zahlreiche vom Konkurs bedrohte Unternehmen und Arbeitsplätze hierzulande gerettet.
Neue Perspektiven
Aber auch in anderen Fällen schaffen die Käufer aus der Volksrepublik neue Perspektiven. So sieht Ballmann in der Akquisition der Betonpumpenanbieter Putzmeister durch Sany und Schwing durch XCMG keineswegs den Ausverkauf einer Branche. Zwar lief es bei beiden Gesellschaften zum Zeitpunkt der Übernahme gut. Doch 60% des relevanten Marktes liegen in Asien. Nach Ansicht von Ballmann boten sich den beiden deutschen Unternehmen durch die chinesischen Investitionen neue Perspektiven. Erst dadurch wurden sie nachhaltig zukunftsfähig.
Ungewohnte Situation
Dr. Stephan Bühler, General Counsel & Chief Compliance Officer bei SGL Carbon, ergänzte, dass das in Medien und Politik seit kurzem vernehmbare Unbehagen gegenüber den Käufern aus China auch mit einer gewissen Verunsicherung zu tun hat. Mit M&A aus dem anglo-amerikanischen Raum und Europa sei man hierzulande vertraut. Doch China wurde bis vor kurzem in der deutschen Öffentlichkeit bisher vor allem als Zielland deutscher Investitionen – aber nicht als Käufer – wahrgenommen. Protektionistische Tendenzen hingen daher auch mit der Unsicherheit gegenüber der ungewohnten Situation zusammen.
Live-Abstimmung
Die rund 200 Vertreter von Corporate M&A-Abteilungen im Plenum pflichteten größtenteils den Diskutanten bei. In einer Live-Abstimmung per Mobile-App äußerten sie sich die Frage: „Sehen Sie durch China eine Bedrohung des deutschen Mittelstands?“ 65% der Anwesenden verneinte dies. Nur etwas über ein Drittel antworteten mit Ja.
Chinas Vorstoß in die Industrie 4.0
China versucht mit eigenen Initiativen wie dem Plan „Made in China 2025“ in den Bereich Industrie 4.0, dem Paradefeld deutscher Ingenieurskunst, vorzustoßen. Georg Kniese, Senior Vice President Corporate Development/M&A bei SAP, sieht dies aber ganz nüchtern. Märkte und Produkte für Automatisierung und Robotik seien in allen Ländern noch in der Entwicklung. China positioniert sich hier wie andere Länder auch mithilfe von Zukäufen bei zentralen Komponenten und Kernkompetenzen. „Das Spiel ist offen“, bringt Kniese die aktuelle Lage auf den Punkt. Auf einem Gebiet aber hat das Reich der Mitte gegenüber den westlichen Mitbewerbern einen Vorsprung: Durch die Restriktionen für ausländische IT- und Internet-Dienstleister schafft das Land einheimische Monopole im Bereich der Dateninfrastruktur. Dies werden künftig enorm wichtig für die vernetzte und automatisierte industrielle Produktion und Logistik werden. Cloud-Dienste können beispielsweise nur von chinesischen Providern angeboten werden.
Der Fall Aixtron
Im konkreten Fall der Übernahme des LED-Ausrüsters Aixtron durch Fujian Grand Chip Investment raten die Panel-Teilnehmer ebenfalls dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren. Alexander Ballman von Ashurst sieht in der Rücknahme der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Wirtschaftsministeriums zunächst einmal lediglich einen Verwaltungsakt. Stephan Bühler von SGL Carbon erkennt nicht, inwieweit der Deal Sicherheitsbelange Deutschlands gefährdet. Ein Verbot der Transaktion laut dem Außenwirtschaftsgesetz käme nur bei Rüstungsfirmen und bei bestimmten sicherheitsrelevanten IT-Unternehmen in Betracht. „Ich sehe keine rechtliche Grundlage“, resümiert Bühler. In China indes haben die Äußerungen von Vizekanzler Gabriel für großen Wirbel gesorgt. Dort wünscht man sich Klarheit. „Die Chinesen wollen nur nach den hier geltenden Gesetzen behandelt werden“, so Bühler.
China bleibt unverzichtbar
Eines wurde am Ende der Veranstaltung nochmals deutlich: Um ein Engagement in China kommen deutsche Unternehmen längst nicht mehr herum. So antwortete lediglich ein Viertel der Plenumsteilnehmer auf die Frage nach der Bedeutung von Investitionen und M&A in China für das eigene Unternehmen, dass das Land nicht relevant sei. Alle anderen sind bereits in China präsent (36%), planen einen weiteren Ausbau ihrer Aktivitäten vor Ort (26%) oder denken zumindest über einen Einstieg dort nach (13%).
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch