Technologie-Schock via DeepSeek: China kann inzwischen auch KI. Dafür sind in den vergangenen Jahren landesweit Technologie-Cluster entstanden.
Das hatte gesessen. Wenige Tage vor dem chinesischen Frühlingsfest, dem Jahresbeginn nach dem traditionellen Mondkalender, und kurz nach Donald Trumps Ankündigung, rund 500 Mrd. USD in die weitere Entwicklung künstlicher Intelligenz zu investieren, hat ein kleines Hangzhouer Entwicklungsteam eine KI auf den Markt gebracht, die dem bisher dominierenden ChatGPT ebenbürtig ist und in Windeseile die App-Charts erobert hat – DeepSeek.
Ein wenig gleicht es dem ‚Technologie-Schock‘, als Huawei Ende 2023 sein ‚Mate 60‘ auf den Markt gebracht hatte. Mehr noch: Umgerechnet gerade einmal 6 Mio. USD hat die Entwicklung gekostet. Ein Bruchteil der Kosten für das amerikanische Pendant.
Selbstverständlich waren westliche Kommentatoren schnell dabei zu verkünden, bestimmte der chinesischen Regierung nicht genehme Fakten seien nicht abrufbar. Ein recht billiger Versuch der Diskreditierung. Und selbstverständlich sind westliche Regierungen, allen voran die USA, bemüht, die chinesische Leistung herunterzuspielen. Gleichzeitig werden aber, welch‘ Ironie, Überlegungen angestellt, DeepSeek zu verbieten. Dagegen zu polemisieren, lohnt nicht, macht China in gewisser Weise mit westlichen Plattformen ja Ähnliches.
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Interessanter ist dagegen, was die erfolgreiche Entwicklung der chinesischen KI zeigt. Denn spätestens seit der ersten Trump-Ära sind die sogenannten entwickelten Industrieländer des Westens bemüht, China vom internationalen technischen Fortschritt abzuhängen und diesen im Land selbst zu verhindern. Genau deshalb sind in den vergangenen Jahren landesweit beispielsweise Cluster für Halbleiter und Chips aufgebaut worden. Auch in Qingdao.
Gern kommentieren dies westliche Beobachter als Abkopplung von globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten. Offizielle Äußerungen, China müsse sich mehr auf die eigenen Stärken besinnen beziehungsweise eigene Stärken entwickeln, befeuern diese Einschätzung. Die 2020 verkündete Wirtschaftsstrategie der ‚Zwei Kreisläufe‘ sei der Beweis für Chinas Globalisierungsausstieg.
Das Gegenteil ist der Fall. Die ‚Zwei Kreisläufe‘ sind eine Antwort auf zunehmenden Technologie-Protektionismus. Öffnung, Ausbau der Zusammenarbeit mit dem Ausland stehen weiter ganz oben auf Chinas Tagesordnung – der äußere Kreislauf soll weiter gestärkt werden. Das sind keinesfalls leere Worte. Gleichzeitig soll der innere Kreislauf verhindern, dass technischen Entwicklungen sprichwörtlich Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Insbesondere in den sogenannten neuen Industrien, den Triebkräften der künftigen Entwicklung.
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Wie seinerzeit das Huawei Mate 60 beweist auch DeepSeek: Technischer Fortschritt lässt sich in China heute nicht mehr aufhalten. Egal, ob das westlichen Strategen passt oder nicht. Schlauer ist daher, zu überlegen, wie sich alle Seiten ergänzen können, um zu einem noch besseren, gemeinsamen Ergebnis zu kommen und beispielsweise zu verhindern, dass das Internet nicht noch mehr zu regionalen Intranets degeneriert.
Europa könnte ja gerade in der zweiten Trump-Ära zum Vorreiter werden, den Amerikanern weniger hinterherlaufen und eigene Akzente setzen. Immerhin hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Kurzem angesichts zu erwartender neuer geostrategischer Rivalitäten nach Trumps Amtsantritt angekündigt, enger und ausbalancierter mit China zusammenarbeiten zu wollen, als das zuletzt der Fall war. Zu hoffen ist, es bleibt nicht nur bei diesem Bekenntnis.
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Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.