Corona, Corona, und immer wieder Corona. Aus der Ferne die Diskussionen in Deutschland verfolgend, sträuben sich einem die Nackenhaare. Rein in die Kartoffeln, und wieder raus. Seit mehr als einem Jahr. Gerade in den Tagen rund um das diesjährige Osterfest wird es nur zu deutlich: Eine Strategie, die geeignet ist, die Menschen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie mitzunehmen, gibt es nicht. Immer noch nicht. Da wird gestritten, da wird beschlossen. Die Halbwertzeit der Beschlüsse wird immer kürzer. Der Eindruck entsteht, nicht gegen die Pandemie wird vorgegangen, sondern vorgeblich einmütig beschlossene Maßnahmen werden umgangen, die geeignet sein sollten, dem Grauen ein Ende zu setzen. So steht Deutschland gerade vor der „gefährlichsten Phase“ dieser Pandemie. Wieder einmal. Und wurschtelt sich weiter durch.
Krisenbewältigung scheint Deutschlands Ding gerade nicht zu sein. Auch nicht, mal links und rechts zu schauen, wie dort mit der Herausforderung umgegangen wird. Oder doch: Es wird links geschaut und auch rechts, aber nur, um sich in Eigenlob auf die Schulter klopfen zu können, weil es bei den Nachbarn noch mieser zugeht. Anstatt nach Erfahrungen Ausschau zu halten, wie effektiver gehandelt werden könnte. In China etwa. Ja, klar, ich höre schon den Aufschrei der Empörung: Was für eine Idee, von „totalitären Überwachungsregimen“ lernen zu wollen!
Nun hat sich ja auch in Europa die Erkenntnis durchgesetzt, dass dem Virus nur mit bestimmten und eigentlich recht einfachen Maßnahmen zu begegnen ist. Dazu gehören Kontrolle, Nachverfolgen, Eindämmen und Quarantäne, die kein Witz ihrer selbst ist. In China geht das. Die Disziplin der Menschen zeigt Erfolg. Agiert wird. Konsequent. Bei jedem kleinen Verdacht. So wurden nach den Oktober-Feiertagen des vergangenen Jahres in Qingdao ganze zwölf neue Corona-Infektionen festgestellt. Aufgeschreckt hatte die Behörden, dass es lokal übertragene Fälle waren. Sie haben ohne Zaudern reagiert und veranlasst, innerhalb einer Woche die gesamte Bevölkerung zu testen. Zehn Millionen! Im gesamten Stadtgebiet wurden eilig mobile Testzentren aufgebaut. Kaum ging der Beschluss durch die Medien, haben sich die Menschen angestellt. Freiwillig. Schon nach zwei Tagen war mehr als die Hälfte der Bevölkerung getestet … und sie hatten umgehend den Beweis, getestet zu sein, auf ihrer mobilen Gesundheits-App.
In Deutschland dagegen? Da müssen erst Verordnungen beschlossen werden, Unterverordnungen. Test sollen flächendeckend stattfinden, aber doch nur freiwillig. Wenn dann auch noch über Wochen über Zulassungen von Test diskutiert wird und ein so reiches Land wie Deutschland sich unfähig zeigt, die zugelassenen in notwendiger Menge zu beschaffen, bleibt nur eine Schlussfolgerung: So wird es nichts.
Während in Deutschland die Infektionszahlen rapide steigen, gibt es in China nur eine Handvoll Fälle am Tag – bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden. Eingeschleppte zumeist. Laut WHO hat Deutschland inzwischen mehr als 2,7 Millionen Fälle und über 76.000 Tote. Demgegenüber stehen für China knapp 103.000 Fälle und 4.850 Tote.
Anstatt nach China zu schauen, wie es anders gehen könnte, ohne es unbedingt eins zu eins zu kopieren, ergehen sich deutsche Politiker wie jüngst Norbert Röttgen in Vorhaltungen, der „chinesische Überwachungsstaat“, wo negative Meldungen unter den Tisch gekehrt würden, sei letztlich für das Schlamassel schuldig, in dem Deutschland heute steckt. Unterlassene rechtzeitige Information der Weltöffentlichkeit wird China vorgeworfen. Auch das nur eine Ausrede, die vom eigenen Versagen ablenkt. Als Wuhan im vergangenen Frühjahr längst alle Schotten hermetisch dicht gemacht hatte, wurde dies in europäischer Überheblichkeit eher belächelt. Die übertreiben doch, hieß es landauf und landab, selbst noch, als das Virus längst an Europas Tore klopfte. Vergessen? Was soll also das Gerede, China hätte früher informieren müssen? Hätten die Europäer es ernst genommen?
Zum Jahrestag der Pandemie hatte WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus offensichtlich enttäuscht festgestellt, als er vor einem Jahr die Welt aufgefordert hatte, entschlossene Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie zu ergreifen, sei dies ungehört geblieben. Mit „was wäre, wenn“ zu argumentieren, ist sicher nicht das Schlaueste. Doch sei die Frage erlaubt, ob das Entstehen der so großen Schrecken verbreitenden Mutationen nicht auch verhindert hätte werden können. Entstanden sind sie interessanterweise vor allem dort, wo zunächst sehr lasch mit dem Wildvirus, wie es heute heißt, umgegangen wurde, und nicht in Asien, das gehandelt hat, egal ob Demokratien oder „Diktaturen“. Viren mutieren eben, das ist ein Naturgesetz, wird diese Überlegung sicherlich vom Tisch gefegt. Ja, mag sein. Aber nur, wenn es dafür einen günstigen Boden gibt. China und andere asiatischen Länder haben Mutationen jedenfalls keine Chance gegeben.
Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.
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