Dual Circulation – Aus eins mach zwei

Handelskonflikt und Corona

Die von Präsident Trump angekündigte Entkoppelung der US- und chinesischen Wirtschaft wird es chinesischen Unternehmen weiter erschweren, in die USA zu exportieren. Noch ist das Land zwar der größte Einzelabnehmer chinesischer Waren – aber es fließen inzwischen mehr Exporte in die EU, und im vergangenen Jahr waren die ASEAN-Staaten gemeinsam der größte Abnehmer chinesischer Waren. Zudem ist gerade die chinesische Hightechindustrie noch relativ wenig entwickelt – die USA drohen gerade hier, beispielsweise bei der Computerchipindustrie, mit einem entschiedenen Boykott. So ist Huawei massiv vom Handelskrieg mit den USA betroffen, weil kein Zulieferer ihnen mehr CPUs für ihre Handys verkaufen darf und auch keine Google-Apps mehr auf den Telefonen sind.

Dual Circulation - Chinesisches WirtschaftswachstumSMIC hat ebenfalls Geschäft verloren, weil sie nichts mehr in die USA importieren dürfen. Insofern ist nachvollziehbar, dass sich China hier unabhängig von US-Zulieferern machen will und muss. Die Corona-Pandemie wiederum hat gezeigt, wie verwundbar die Weltwirtschaft bei einer Disruption der internationalen Logistikketten ist. Zwar scheint China insgesamt besser durch die Krise gekommen zu sein als andere Regionen, aber das Post-Pandemie-Aufräumen hat noch nicht begonnen.


Patrick HeidDie Stärkung des Binnenmarkts ist von einem Fernziel zu einem dringlichen Nahziel der chinesischen Regierung geworden.

Patrick Heid
Rechtsanwalt und Partner GvW Graf von Westphalen (Shanghai)


 

Gerade Großkonzerne werden sich hinsichtlich ihrer Zuliefererketten einerseits breiter und andererseits regionaler aufstellen. Ziel ist es, in Zukunft besser gegen Ausfälle gewappnet zu sein. Davon wiederum dürfte das bisherige chinesische Geschäftsmodell besonders betroffen sein. Patrick Heid, Anwalt und Partner der Kanzlei GvW Graf von Westphalen sowie Leiter des Shanghaier Standorts, sieht hierin ebenfalls einen wichtigen Faktor: „Um die in den vergangenen Monaten deutlicher als zuvor exponierte Abhängigkeit Chinas von Im- und Exporten in Zukunft zu reduzieren, ist die Stärkung des Binnenmarkts zudem von einem Fernziel zu einem dringlichen Nahziel der chinesischen Regierung ausgerufen worden.“

Dual Circulation - BIP pro Kopf in Deutschland USA und ChinaAbsage an Protektionismus

Wie das Konzept in den kommenden Jahren konkret umgesetzt werden wird, muss sich erst zeigen. Bereits jetzt macht die chinesische Führung allerdings deutlich, dass es sich dabei nicht um eine 180-Grad-Wende handelt und China sich einem neuen Protektionismus verschreibt. So erklärte Präsident Xi im September hinsichtlich seines Konzepts vor einer Unternehmerversammlung, die Vorschläge für den 14. Fünfjahresplan ausarbeiten sollte: „Das neue Entwicklungsmuster ist keineswegs ein geschlossener Inlandskreislauf, sondern ein offener nationaler und internationaler Doppelkreislauf. Chinas Bedeutung für die Weltwirtschaft wird weiter wachsen, unsere Verbindungen zu ihr werden enger werden. Die Marktchancen, die wir anderen Ländern bieten, werden sich ausweiten und China wird in noch größerem Maße internationale Güter und Schüsselressourcen anziehen.“

Kapitalhunger

Hierfür wird vor allem eines nötig sein: Kapital. Der bisher bevorzugte Weg der Finanzierung über Bankkredite bzw. staatliche Investitionen wird nicht mehr ausreichend sein. China wird sich also konsequent weiter für ausländisches Kapital öffnen. Gleichzeitig wird die Volksrepublik aber auch stärker darauf abzielen, die chinesischen Privatvermögen anzuzapfen. Diese sind derzeit vor allem im Immobiliensektor gebunden.

Dual Circulation - Stärkung des chinesischen Binnenmarkts
Quelle: Adobe Stock; © Dmitri Kalvān

Schritte in die entsprechende Richtung sind längst feststellbar. Die Beschränkungen der Qualified-Foreign-Instutitonal-Investor-(QFII-)Progamme wurden weitgehend aufgehoben. Die Regulierungen für Börsengänge wurden deutlich erleichtert und insgesamt transparenter. Dies gilt insbesondere für die Segmente der ChiNext (Shenzhen) und des STAR Market (Shanghai), die vor allem Zukunftsbranchen wie die Halbleiterindustrie oder Biotechnologie fokussieren. Gerade den kapitalhungrigen Start-ups soll so der Zugang zum einheimischen Kapitalmarkt erleichtert werden. Auch dass ausländische Finanzinstitutionen nun Niederlassungen in vollständig eigenem Besitz in China gründen dürfen (was beispielsweise die Allianz bereits umgesetzt hat), ist ein klares Zeichen in die entsprechende Richtung. Ebenso die für das kommende Jahr anvisierte deutliche Öffnung des chinesischen Anleihemarkts für ausländische Investoren.

Um die inländischen Sparvermögen anzuzapfen, werden auch weitere inländische Reformen notwendig sein. So müssen unter anderem die rund 200 Mio. „Wanderarbeiter“ besser eingebunden werden. Sie leben meist in den Städten; aber ihr Hukou (eine Art Familienstammbuch) liegt in der Regel in den ländlichen Heimatdörfern, bzw. ist an diese gebunden. In der Folge sind ihre Rechte in den Städten beschränkt.
Sie und ihre Familien haben kaum Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, und eine Umwidmung des Hukou ist nur schwer möglich. Auch hier sind bereits erste Änderungen zu sehen. In Guangzhou und einigen anderen südchinesischen Städten besteht inzwischen die Möglichkeit, ein Hukou zu erhalten. Voraussetzung ist allerdings, dass man sich durch eine entsprechende Prüfung als Experte in bestimmten Branchen qualifiziert.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch