Was bedeuten die zwei Kreisläufe für Deutschland?
Ob dies für Deutschland bedeutet, dass sich der seit Jahren etablierte Trend sinkender chinesischer Direktinvestitionen fortsetzt, bleibt abzuwarten. MERICS-Analystin Holzmann jedenfalls sieht eher eine noch strategischere Ausrichtung der Investitionen: „Der chinesische Binnenmarkt soll als zentrale Drehscheibe für den globalen Handel etabliert werden. Insofern werden Politik und Unternehmen in China künftig wohl noch genauer darauf achten, dass sich die Investitionen im Ausland in dieses Ziel einfügen und Zukäufe auch und gerade der Stärkung des chinesischen Heimatmarktes dienen.“
Mittelfristig hingegen könnten gerade deutsche Unternehmen sogar vom System der zwei Kreisläufe profitieren, glaubt Dr. Marco Zessel, Rechtsanwalt am Frankfurter Standort der Kanzlei GvW Graf von Westphalen: „Für Deutschland erwarten wir weiterhin ein reges Interesse an Direktinvestitionen aus China, während Investitionen in den USA und UK erheblich zurückgehen dürften. Profiteur können deutsche Unternehmen werden. Die Made-in-China-2025-Strategie, insbesondere das Ziel, China zur führenden Hightechmacht zu machen, wird ohne Zukauf und Import von Know-how nicht auskommen.“
Eine andere Auffasung vertritt Weidong Xu, Geschäftsführerin der BCCI GmbH mit Blick auf das Konzept der Dual Circulation: „Bei dem auf den Binnenkonsum ausgerichteten „Inner Circle“ werden Aufträge künftig bevorzugter an chinesische Unternehmen vergeben werden. Die Konkurrenzsituation für die deutschen Unternehmen wird zusätzlich verschärft sein.“
Für Deutschland erwarten wir weiterhin ein reges Interesse an Direktinvestitionen aus China. Deutsche Unternehmen können Profiteure der Dual Circulation werden.
Dr. Marco Zessel
Rechtsanwalt und Partner, GvW Graf von Westphalen (Frankfurt a. M.)
Dual Circulation verschärft den Wettbewerb
So dürften das Konzept der zwei Kreisläufe mittelfristig den Konkurrenzkampf verschärfen. Nicht zuletzt, weil die chinesische Wirtschaft ähnlich aufgestellt ist wie die deutsche. Auch ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Automobil- und Maschinenbau sowie (Spezial-)Chemie. Wenn hier der Fokus auf den Export höherwertiger Produkte gelegt wird, führt das notwendigerweise zu schärferem Wettbewerb mit „etablierteren“ Spielern. Zur selben Zeit werden sich jedoch auch neue Chancen ergeben. Gerade für mittelständische Unternehmen könnten sich im Zulieferer- und Ausrüsterbereich weitere Wachstumspotenziale erschließen lassen. Wenn China beispielsweise seine Chipindustrie weiter auf- und ausbauen will, könnten Spezialoptiken oder Belichtungssysteme für die fotolithografischen Prozesse in den entsprechenden Produktionsstraßen aus Deutschland kommen.
Vielleicht wird es durch Dual Circulation sogar eine Zunahme an Übernahmen und Beteiligungen durch deutsche Unternehmen in der Volksrepublik geben. Sie könnten sich so besser für den chinesischen Binnenmarkt positionieren. Eventuell sind die deutschen Automobilbauer die Trendsetter. Sie alle haben in der jüngeren Vergangenheit den Anteil an ihren Joint Ventures aufgestockt oder diese komplett übernommen. Hier zeigen sich die Experten von GvW Graf von Westphalen allerdings skeptisch: „China wird zweifellos auch künftig an ausländischen Direktinvestitionen interessiert sein, allerdings beobachten wir bereits seit einigen Jahren ein generell schwieriger werdendes Umfeld für ausländische Investitionen.
Das ist den immer neuen Gesetzen und Regularien geschuldet, die schon aufgrund ihrer Unbestimmtheit schwierige Hürden darstellen. Darüber hinaus wird China wählerischer, in welchen Branchen man ausländische Investitionen noch möchte; und schließlich wird der außenpolitische Wind rauer und der Kurs der eigenen westlichen Regierung kann Geschäftstätigkeiten plötzlich erschweren.
Fazit
Was die neue Doktrin der zwei Kreisläufe im Einzelnen bedeutet und vor allem, wie sie Peking konkret umzusetzen gedenkt, wird sich erst im Laufe des kommenden Frühjahrs deutlicher herauskristallisieren. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass die Sorgen, China könnte sich von der Weltwirtschaft abwenden und einen harten protektionistischen Kurs einschlagen, übertrieben sind. China wird seine Politik der Öffnung und Reformen beibehalten, dabei aber im Rahmen der Dual Circulation nun stärker den Binnenmarkt fokussieren. Offen bleibt dabei die Frage, wie schnell China im Sinne eines „Level Playing Field“ den Aufbau fairer Wettbewerbsbedingungen voran treibt. Denn für deutsche Unternehmen bleibt China einer der zentralen Märkte. Ein weiter exponentiell wachsender chinesischer Binnenkonsum wird auch ihnen noch mehr Chancen bieten und könnte zu weiterer Investitionsbereitschaft führen.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch