Überblick über die Vertretungsmöglichkeiten
Eine chinesische Kapitalgesellschaft handelt nach der Grundkonzeption des Gesetzes im Rechtsverkehr durch ihren gesetzlichen Vertreter; er kann im Namen der Gesellschaft Willenserklärungen abgeben und empfangen. Insoweit unterscheidet sich die gesetzliche Stellvertretung einer chinesischen Kapitalgesellschaft nicht wesentlich von ihrem Pendant in Deutschland.
Zusätzlich besteht in der Volksrepublik China jedoch die Besonderheit der Abgabe von Willenserklärungen der Gesellschaft durch die Verwendung spezieller Stempel. Hier ist in erster Linie der sogenannte Company Chop zu nennen. Durch dessen Anbringung auf Verträgen oder sonstigen Dokumenten kann die Gesellschaft rechtsverbindliche Erklärungen abgeben. Daneben verfügt jede Gesellschaft über einen sogenannten Invoice/Fapiao Chop zur Ausfertigung der chinaspezifischen Steuerquittungen (sogenannte Fapiaos) sowie über einen sogenannten Finance Chop, der vor allem im Rechtsverkehr mit Banken erforderlich ist. Mitunter haben Gesellschaften noch einen eigenen Contract Chop, der speziell für den Abschluss von Verträgen zur Anwendung kommt und in diesem Bereich neben den Company Chop tritt. Schließlich lassen viele gesetzliche Vertreter auch einen eigenen sogenannten Legal Representative Name Chop in Auftrag geben, der an die Stelle der Unterschrift des gesetzlichen Vertreters treten kann und damit ebenfalls zur Abgabe von Willenserklärungen „durch“ die Gesellschaft dient.
Um ungeachtet des aktuellen Aufenthaltsorts des gesetzlichen Vertreters im Rechtsverkehr Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, befinden sich die Stempel in der Regel am Sitz der Gesellschaft und werden dort entsprechend den unternehmensinternen Richtlinien verwahrt und verwendet. Die Anbringung von Stempeln auf Vertragsdokumenten unter Verstoß gegen diese internen Vorgaben (etwa unter Umgehung eines Vier-Augen-Prinzips oder einer Zuständigkeit des gesetzlichen Vertreters) ist im Außenverhältnis aber grundsätzlich unbeachtlich; der Vertrag kommt wirksam mit der Gesellschaft zustande.
Elektronische Signaturen als Alternative
Eine in China bislang in der Praxis verhältnismäßig wenig beachtete Alternative zur Verwendung von Stempeln für die Ausfertigung von Vertragsdokumenten ist der Einsatz elektronischer Signaturen. Grundlage hierfür bildet das „Gesetz der Volksrepublik China über elektronische Signaturen“ („SigG“). Das 2005 in Kraft getretene Gesetz wurde zuletzt 2019 überarbeitet und in seinem Anwendungsbereich erweitert. Nunmehr steht Unternehmen die Nutzung elektronischer Signaturen für Verträge in nahezu allen Geschäftsfeldern offen; seit der Novelle aus dem Jahr 2019 auch bei Immobilientransaktionen. Im Behördenverkehr steht diese Option, abgesehen von wenigen Ausnahmen – etwa im Bereich von Patentanmeldungen –, ausländisch-investierten Gesellschaften bislang nicht zur Verfügung.
Nach dem SigG kommt „zuverlässigen elektronischen Signaturen“ im Privatrecht die gleiche rechtliche Wirkung wie eigenhändigen Unterschriften oder Stempeln zu. Das Gesetz stellt aber eine Reihe von Voraussetzungen auf, die eine solche zuverlässige elektronische Signatur erfüllen muss:
- Die Signaturerstellungsdaten müssen zur Zeit der Verwendung zur Erzeugung einer elektronischen Signatur ausschließlich dem Inhaber der elektronischen Signatur zugeordnet sein.
- Sie müssen außerdem bei der Unterzeichnung ausschließlich unter der Kontrolle des Inhabers der elektronischen Signatur stehen, und
- schließlich muss jede Veränderung der elektronischen Signatur, des Inhalts oder der Form des elektronischen Dokuments nach der Unterzeichnung erkennbar sein.
Technologieneutralität des SigG und Public-Key-Verfahren
Das SigG ist technologieneutral formuliert, macht also keine Vorgaben zur Art und Weise der Erstellung zuverlässiger elektronischer Signaturen, solange die vorgenannten Anforderungen erfüllt sind. Es geht sogar noch einen Schritt weiter und eröffnet den Vertragsparteien die Möglichkeit, eigene Kriterien für die Verwendung elektronischer Signaturen zu vereinbaren.
In der Praxis kommen vielfach asymmetrische Kryptoverfahren zur Erstellung und Verifizierung von E-Signaturen zur Anwendung (sogenanntes Public-Key-Verfahren). Dabei wird zur Identifizierung des Unterzeichners und dessen Verifizierung auf die Dienste von speziell lizenzierten Zertifizierungsstellen -etwa die China Financial Certification Authority – „CFCA“ oder die Beijing Certification Authority- zurückgegriffen. Deren Einbindung beim Abschluss von Verträgen unter Verwendung von ausschließlich elektronischen Signaturen wiederum erfolgt vielfach über die Betreiber sogenannter E-Contract-Plattformen, die als Dienstleister die Schnittstelle zwischen den Vertragsparteien und der Zertifizierungsstelle bilden. Zu den etablierten Anbietern in der Volksrepublik zählen etwa yunsign.com, fadada.com oder tsign.cn. Über den E-Contract-Plattform-Serviceprovider erfolgt typischerweise auch die Einbeziehung einer sogenannten Time Stamp Authority zur Verknüpfung der elektronischen Signatur mit einem Zeitstempel.
Der im Rahmen des Public-Key-Verfahrens zur Authentifizierung erforderliche private Schlüssel ermöglicht Unternehmen die Zugangskontrolle zur Nutzung des elektronischen Signaturverfahrens. Der Schlüsselinhaber kann dadurch Verträge mittels E-Signaturen ortsunabhängig im Namen der Gesellschaft abschließen. Auf diese Weise bleiben Unternehmen in Zeiten der coronabedingten Reisebeschränkungen handlungsfähig; gleichzeitig kann der Einsatz, und damit das Risiko eines Missbrauchs, von Stempeln reduziert werden.
Auch die unternehmensinternen Vertretungskompetenzen lassen sich so für die Zeit nach Corona einfacher implementieren und kontrollieren. Durch E-Signaturen lässt sich auch der gesetzliche Vertreter zukünftig häufiger unmittelbar in den Vertragsabschluss einbinden. Daneben wird der Einsatz von Stempeln freilich auch weiterhin nicht aus der unternehmerischen Praxis in China wegzudenken sein.
Fazit
Die Nutzung von E-Signaturen bietet eine interessante Alternative bzw. Ergänzung zu den üblicherweise in chinesischen Unternehmen verwendeten Stempeln. Durch das Public-Key-Verfahren lässt sich die passwortbasierte Ausfertigung von Verträgen in den Händen weniger Mitarbeiter des Unternehmens bündeln. Dadurch können auch interne Zuständigkeiten des gesetzlichen Vertreters ungeachtet eines Auslandsaufenthalts effizient und ohne Zeitverlust in der Praxis gelebt werden. Die – missbrauchsanfällige – Herausgabe und Verwendung von Stempeln lässt sich auf ein Mindestmaß reduzieren.
Dr. Dominic Köstner
Dr. Dominic Köstner, LL.M. (King’s College London) ist Rechtsanwalt und Partner bei GvW Graf von Westphalen in Shanghai. Er ist spezialisiert auf Gesellschaftsrecht/M&A sowie die Beratung ausländischer Mandanten zu rechtlichen und strategischen Themen im operativen Geschäft in China.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch