Wie wäre es denn damit, einfach mal die Perspektive zu ändern? Angebracht wäre es, anstatt immer wieder dieselbe Leier wie eine Monstranz vor sich herzutragen?
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist gerade im Südpazifik unterwegs. In Suva, der Hauptstadt der Fidschi-Inseln, auf denen Deutschland vor einem Jahr die erste Botschaft in der Südsee eröffnet hat, stellt sie fest, andere hätten Botschaften, die zehnmal größer sind. Klar, die anderen sind die Chinesen. Sie spricht es nicht direkt aus. Ihre Klage über den wachsenden Einfluss der Chinesen auch in dieser Region ist aber laut genug und impliziert ziemlich unverblümt die Vorstellung, diese Rolle stehe eigentlich Deutschland zu.
Nun ist ja grundsätzlich nichts daran auszusetzen, dass sich auch Deutschland im Indo-Pazifik engagiert. Beispielsweise beim Klimaschutz, der ja wesentlicher Teil der sogenannten grünen Außenpolitik ist. Wie wäre es aber, mit konkreten Vorhaben voranzugehen und durch geeignete politische Maßnahmen deutsche Unternehmen zu unterstützen, am anderen Ende der Welt Erfolg zu haben, anstatt als erstes zu postulieren, wer ausgebremst werden soll? Wie wäre es auch damit, zu schauen, ob Akteure, die längst in der Region aktiv sind, als Partner gewonnen werden können. Andocken und gemeinsam Fortschritt gestalten – das wäre doch die bessere, die schlauere Herangehensweise.
Dasselbe ließe sich von der deutschen Diskussion um chinesische Elektroautos sagen. Erstaunlich ist ja, dass gerade in den grünen Reihen die Lieferung der umweltfreundlichen Fahrzeuge aus China auf Kritik stößt. Eigentlich müssten sie es doch begrüßen, wenn BYD & Co. dazu beitragen, Umweltziele in Deutschland und global zu erreichen, während deutsche Autobauer noch ein wenig hinterherhinken. Nein, eher wird geklagt, Chinas Hersteller würden den deutschen Markt fluten. Das Fluten hat aber eine Voraussetzung: Es müssen Abnehmer da sein.
Die wird es sicherlich auch geben, wenn sie sich von der Qualität der Fahrzeuge überzeugen, und vom wettbewerbsfähigen Preis, der, so die Hersteller, dank intensiver Entwicklung möglich ist. Den deutschen (und europäischen) Wettbewerbshütern ist der Preis ein weiterer Dorn im Auge. ‚Subventioniert‘, so der Vorwurf, als ob es das in Europa gar nicht gebe. Und die einzig denkbare Antwort: Strafzölle.
Zugegeben, es ist schwer einzuschätzen, was von der Erklärung der chinesischen Behörden zu halten ist, das Land habe derzeit genug wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern und keine Möglichkeit, privatwirtschaftlichen Unternehmen Mittel zuzustecken. Der Siegeszug chinesischer Elektrofahrzeughersteller, die in den kommenden Jahren mit Sicherheit einen Prozess der Konsolidierung und Reinigung durchlaufen werden, wird mit europäischen Strafzöllen nicht aufzuhalten sein. Deutschen Autoherstellern helfen sie ebenso wenig, die Lücke zu schließen.
Vielmehr müssten die Anstrengungen auf die Schaffung eines europäischen Umfeldes gelegt werden, das Innovation leichter macht. Und: Anstatt denjenigen buchstäblich ein Bein stellen zu wollen, die inzwischen einen Schritt weiter sind, sollte überlegt werden, wie Partnerschaften gefördert werden können, wie voneinander noch mehr profitiert werden kann. Im Grunde sind Deutschlands Autobauer längst diesen Schritt gegangen. Kluge Wirtschaftspolitik, die sich noch dazu das Label ‚Grün‘ gibt, sollte das befördern, nicht behindern. Eine andere Perspektive tut Not.
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Ausgabe 3/2023 Biotechnologie 2023 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.
Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.