Nach siebenjährigen Verhandlungen haben die EU und China Ende 2020 das Investitionsabkommen CAI vereinbart, das für mehr Gleichgewicht zwischen den Wirtschaftspartnern sorgen soll. Sowohl deutsche als auch chinesische Unternehmen werden von dem neuen und konstruktiveren regulatorischen Rahmen profitieren.
Trotz der Corona-Krise überholte der Handel der EU mit China mit 586 Mrd. EUR im Jahr 2020 sogar den Handel mit den USA. China ist erstmals seit dem Bestehen der EU zu ihrem wichtigsten Handelspartner aufgestiegen. Umso wichtiger ist das neu geschaffene Investitionsabkommen („Comprehensive Agreement on Investment“; CAI), da es durch faire und die Handelsbeziehungen fördernde Regelungen als ein bedeutender Fortschritt für alle Beteiligten zu werten ist.
Verbesserter Marktzugang
Das CAI soll die bestehenden Asymmetrien zwischen der EU und China beim Marktzugang verringern. Die bisherigen strengen Joint-Venture-(JV-)Anforderungen Chinas werden in einer Vielzahl von Branchen angeglichen. Deutsche Unternehmen erhalten einen umfassenden Zugang beim verarbeitenden Gewerbe und bei den Automobilbranchen, inklusive alternativ angetriebenen Fahrzeugen. Ebenfalls betroffen sind die Finanzdienstleistungen; hier hatte China bereits in der Vergangenheit schrittweise den Markt geöffnet. Zudem wurden die JV-Anforderungen und Obergrenzen für ausländische Beteiligungen für die Bereiche des Bankwesens, des Wertpapierhandels, der Versicherungen und Vermögensverwaltung abgeschafft. Auch die Investitionsbeschränkungen im Gesundheitswesen (private Krankenhäuser), bei Umweltdienstleistungen, R&D (biologische Ressourcen), Telekommunikations- und Clouddiensten, Geschäftsdienstleistungen sowie dem internationalen Seeverkehr sind aufgehoben worden.
Vom erweiterten Marktzugang profitiert mehr als die Hälfte der bisherigen deutschen Investitionen in China, betreffen sie doch die Automobilindustrie und das verarbeitende Gewerbe, einschließlich der Produktion von Chemikalien, Telekommunikationsgeräten, Verkehrsmitteln und Gesundheitsgeräten. Nun können deutsche OEMs in diesen Branchen ihre Tochtergesellschaften zu 100% halten und den Gewinn abschöpfen, ohne diesen mit einem chinesischen Partner teilen zu müssen.
Das „Level Playing Field“
Neben dem ungleichen Marktzugang wurde in der Vergangenheit auch die Schieflage bei den Wettbewerbsbedingungen viel diskutiert. Hier initiiert das CAI ebenfalls Impulse in Richtung „Level Playing Field“. Dazu gehören unter anderem die Disziplinierung des Verhaltens von Staatsunternehmen, die Transparenz bei Subventionen sowie Regelungen zur Verhinderung von erzwungenem Technologietransfer.
In erster Linie verpflichten sich chinesische Staatsunternehmen, sich bei ihren Entscheidungen in Zukunft ausschließlich von wirtschaftlichen Kriterien leiten zu lassen. Beim Handeln mit Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen sollen deutsche Unternehmen diskriminierungsfrei behandelt werden. Die der chinesischen Regierung auferlegten Transparenzanforderungen sollen zu mehr Planungssicherheit und damit höherer Rechtssicherheit führen. Hierzu zählt insbesondere der Austausch von Informationen, um das Verhalten eines bestimmten Staatsunternehmens zu beurteilen, Konsultationen in Bezug auf Subventionen und der Zugang zu normgebenden Gremien.
Verboten sind künftig auch verschiedene Arten von Investitionsanforderungen, die einen Technologietransfer erzwingen. Dazu gehören die Übertragung der Technologie an den Joint-Venture-Partner, Lokalisierungsauflagen für Forschungseinrichtungen oder Eingriffe in die Vertragsfreiheit bei der Lizenzierung der Technologie. Ebenfalls werden vertrauliche Geschäftsinformationen vor unbefugter Weitergabe durch Verwaltungsstellen verstärkt geschützt.
CAI schafft Chancen für deutsche Unternehmen in China
Während chinesische Unternehmen in der Vergangenheit regelmäßig auf Einkaufstour in Deutschland gingen, tätigen deutsche Unternehmen in China hingegen in erster Linie Greenfield-Investitionen und weniger M&A-Transaktionen. Dieses ungleiche Investitionsverhalten zwischen Deutschland und China soll in der Zukunft durch das CAI stark verringert werden, indem in vielen Wirtschaftssektoren der Joint-Venture-Zwang abgeschafft und ausländische Übernahmen erlaubt werden.
Durch die verbesserten Wettbewerbsbedingungen bieten sich für deutsche Unternehmen neue und nachhaltige Wachstumschancen. Das große Marktpotenzial Chinas sowie die schnelle wirtschaftliche Erholung von den Folgen der Pandemie werden zu mehr Wachstum und einer damit verbundenen größeren Anzahl von Transaktion deutscher Investoren auf dem chinesischen Markt führen. Beispielsweise kündigte BASF Venture Capital, parallel zum laufenden Milliardenprojekt in Südchina von BASF, kürzlich eine Investition in das junge Biotechnologieunternehmen Bota Biosciences Ltd aus Hangzhou, an, um die industrielle Biotechnologie für saubere und effiziente Biofertigung zu entwickeln.
Auswirkung auf chinesische FDI in Deutschland
Im Gegensatz zu der umfassenden Marktöffnung in China gewährt das CAI chinesischen Investoren nur eine geringfügige zusätzliche Öffnung des EU-Markts im Bereich der klassischen und erneuerbaren Energien, da der Markt hier bereits vor dem CAI weitestgehend für chinesische Investoren geöffnet war. Nationale Investitionskontrollmaßnahmen bleiben hiervon allerdings unberührt.
Das neue CAI wird zwar keine sofortigen Effekte auslösen, aber durch seine positiven Signale voraussichtlich einen Wiederanstieg von Investitionsaktivitäten bewirken und somit zu einer Kehrtwende am deutsch-chinesischen Transaktionsmarkt führen, welcher seit einiger Zeit rückläufig war.
EU-China CAI: Fazit
Das CAI fördert die Herstellung eines Level Playing Field zwischen EU und China und eröffnet neue Möglichkeiten für Investitionen in beiden Richtungen. Gleichwohl muss man die schrittweise Liberalisierung unter dem CAI im Kontext weiterer laufender Entwicklungen in China betrachten. Die chinesische Regierung verstärkt zunehmend ihre Kontrolle in strategisch relevanten Sektoren wie z.B. Informationstechnologie, Internetinfrastruktur und Dienstleistung, künstliche Intelligenz und kritische Anlagenherstellung, um technologische Autonomie zu gewährleisten. Die kürzlich eingeführten Regeln zur Prüfung ausländischer Investitionen sowie eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze und Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit führen dazu, dass deutsche Unternehmen weiterhin mit operativen Hürden zu tun haben.
Dr. Nils Krause
Dr. Nils Krause, LL.M. (Durham), ist Rechtsanwalt und leitet die deutsche Praxisgruppe Corporate/M&A der internationalen Sozietät DLA Piper. Zudem ist er Co-Head des China Desks von DLA Piper in Deutschland. Er berät regelmäßig In- und Outboundtransaktionen mit China.
Dan Li
Dan Li, LL.M. (Mannheim), ist chinesische Anwältin und arbeitet im China Desk von DLA Piper. Sie berät regelmäßig zu grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen und Joint-Venture-Projekten mit Chinabezug.
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