Aus E-Mag M&A China/Deutschland 02/2014
Der Kauf des Autozulieferers KOKI durch den Pekinger Staatskonzern AVICEM zeigt, dass die Chinesen bei Übernahmen in Deutschland immer professioneller vorgehen. Was haben sie jetzt mit dem Mittelständler vor?
Unterschiedlicher könnten die Partner dieser M&A-Transaktion nicht sein. Der Käufer: AVICEM, ein staatliches Industriekonglomerat mit Sitz in der chinesischen Hauptstadt Peking, 70.000 Mitarbeitern und 5 Mrd. EUR Umsatz. Das Zielunternehmen: KOKI, ein hoch spezialisierter mittelständischer Autozulieferer aus dem beschaulichen Niederwürschnitz in Sachsen mit 750 Mitarbeitern und 115 Mio. EUR Umsatz. Der chinesische Staatskonzern erwirbt die KOKI-Anteile von zwei Finanzinvestoren, über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Hinter AVICEM steht indes ein noch größerer Gigant, der staatlich kontrollierte Rüstungs- und Luftfahrtkonzern AVIC mit geschätzt mehr als einer halben Million Mitarbeitern und 25 Mrd. USD Umsatz.
Auch wenn Käufe deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren längst keine Seltenheit mehr sind, kann die KOKI-Übernahme als Vorbild für deutsch-chinesische M&A-Projekte gelten. Für Praktiker und Entscheider sind dabei vor allem folgende Fragen interessant: Warum wurde KOKI ausgerechnet nach China verkauft? Wie lief die Transaktion ab? Und was hat der Luftfahrt- und Autozulieferriese AVICEM jetzt mit dem deutschen Unternehmen vor?
Klare Strategie hinter der Transaktion
„Der chinesische Investor wusste von Anfang an, was er wollte“, sagt KOKI-Chef Ralph Rumberg, der erst seit Januar 2014 im Unternehmen ist, die Übernahme aus Managementsicht aber von Anfang an begleitet hat. „Die AVIC-Gruppe will ihre Kompetenz als Autozulieferer mit Produkten rund um Schaltgetriebe ergänzen. KOKI ist ein angesehener Spezialist auf diesem Gebiet und liegt daher als Übernahmeziel auf der Hand.“
Auch die Chinesen haben klar kommuniziert, was sie vorhaben. AVICEM-Chef Jian Wang will mit KOKI die Position seines Konzerns bei der Fahrzeugantriebstechnik stärken und so das Produktangebot deutlich erweitern. Mehr noch: AVICEM soll langfristig Weltmarktführer bei den wichtigen Zulieferteilen für Auto-Gangschaltungen werden. KOKI ist in der Branche für seine ausgefeilte Technik bekannt, die das manuelle Schalten für den Fahrer leicht und flüssig macht, und hat sich damit als Lieferant für die internationale Autoindustrie etabliert.
Seine Selbstständigkeit soll KOKI aber auch unter dem neuen Eigentümer behalten. Das Management bleibt im Amt und die Standorte in Deutschland, Indien und China sollen ausgebaut werden. KOKI hat spät damit angefangen, sich auf dem für die Automobilindustrie so wichtigen chinesischen Markt zu engagieren, bisher gibt es vor Ort nur eine Handelsvertretung, die Prototypen präsentiert und Kundenkontakte herstellt. Die neue Mutter AVICEM soll nun die Eroberung des chinesischen Marktes beschleunigen. „Mit einem chinesischen Investor an Bord geht das leichter“, sagt Daniel Sonntag, kaufmännischer Geschäftsführer von KOKI. 50 Mio. EUR wollen die Chinesen nun für Investitionen bereitstellen. Ein Drittel davon ist für den Aufbau einer neuen KOKI-Fabrik in China eingeplant, der Rest für die Erweiterung der deutschen Standorte. „AVICEM will mit der angesehenen Marke KOKI auf den asiatischen Märkten punkten“, sagt Sonntag. Fast alle wichtigen westlichen Automarken haben in China große Fabriken und Produktionskapazitäten aufgebaut. Einem Zulieferer wie KOKI, den die großen Hersteller schon aus ihren Heimatmärkten kennen, bringen sie daher großes Vertrauen entgegen.
Reibungsloser Übernahmeprozess
Überraschend ist, wie reibungslos die Übernahme trotz der unterschiedlichen Firmenstruktur auf beiden Seiten ablief. „Es war ein Bilderbuchprozess“, sagt Dietmar Thiele, Partner im Berliner Büro der auf Kunden aus dem Mittelstand spezialisierten M&A-Beratung Network Corporate Finance. Network hat KOKI und die bisherigen Gesellschafter mit einem dreiköpfigen Team beim Verkauf an die Chinesen beraten. Ende 2013 hatte die AVIC-Gruppe erstmals ihr Interesse an dem deutschen Mittelständler artikuliert, und schon im Juli 2014 waren die Verträge unterschrieben. Der Unternehmenskauf braucht jetzt nur noch die Genehmigungen durch die Kartellbehörden in Europa und Asien, im September soll dann das Eigentum an den KOKI-Anteilen auf AVICEM übergehen.
Die Reibungslosigkeit des M&A-Prozesses ist auch der Routine des chinesischen Investors zu verdanken. So besitzt die AVIC-Gruppe wegen ihrer zahlreichen Beteiligungen – allein zu AVICEM gehören 28 Tochtergesellschaften – bereits weitreichende Erfahrungen mit internationalen Fusionen und Übernahmen. In Deutschland hatte das Konglomerat zuvor bereits drei Mal zugekauft und den Flugzeugmotorenhersteller Thielert sowie die beiden Autozulieferer Hilite und Kokinetics übernommen. Kokinetics ist ein ehemaliges Schwesterunternehmen von KOKI.