Seit Jahresbeginn befindet sich der deutsche Klavierhersteller Schimmel im Besitz der chinesischen Pearl River Piano Group. Der chinesische Investor setzt auf die deutsche Handwerkskunst und die bisherigen Standorte in Braunschweig und im polnischen Kalisz. Zudem will er die hochwertigen Pianos weiter verbessern und weltweit vermarkten.
Das traditionsreiche Unternehmen, das Wilhelm Schimmel 1885 gegründete und heute von der vierten Familiengeneration weitergeführt wird, gehört zu den wichtigsten Flügel- und Klavierbauern in Deutschland. Im Januar 2016 wurde die Braunschweiger Firma zu 90% von der chinesischen Pearl River Piano Group für rund 24 Mio. EUR übernommen. Der chinesische Konzern macht mit 130.000 verkauften Klavieren pro Jahr rund 200 Mio. EUR Umsatz. Er ist Marktführer in China und verfügt dort auch über das größte Vertriebsnetz. Schimmel ist mit jährlich rund 2.500 produzierten Instrumenten der größte europäische Hersteller und die führende Marke für hochwertige Flügel und Klaviere in Europa.
Deutsche Hersteller setzen auf hochwertige Pianos
Der Bau eines Klaviers ist eine aufwändige und zum Teil sehr filigrane Arbeit: Je nach Modell und Linie kann sie zwischen neun Monaten und deutlich über einem Jahr dauern. Dabei müssen 9.000 hochwertige Teile stets auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Sehr groß ist die Branche nicht, nur noch 14 Unternehmen stellen in Deutschland Klaviere und Flügel her. Darunter befinden sich klangvolle Namen wie Grotrian-Steinweg aus Braunschweig, C. Bechstein aus Berlin oder Steinway & Sons aus Hamburg. Weltweit werden jährlich knapp 500.000 Klaviere und Flügel hergestellt, davon über 300.000 in China. Die Stückzahl der in Deutschland hergestellten Instrumente ist eher klein – etwa 12.000 verlassen pro Jahr die Werkstätten. „Allerdings sind die deutschen Instrumente sehr hochwertig, sie zählen in der ganzen Welt zur Spitzenklasse“, weiß Burkhard Stein, Geschäftsführer von Grotrian-Steinweg. Neben den USA und Asien gehört Russland zu den wichtigsten Auslandsmärkten für deutsche Klavierbauer.
Neuer Investor notwendig
Durch die Finanzkrise verlor Schimmel zwei Drittel seines US-Geschäfts, was wegen des hohen Exportanteils zu einem Auftragsrückgang von 40% führte. Zudem gab Teilhaber Yamaha seinen Minderheitsanteil von 25% zurück. Deswegen musste der Traditions-Klavierbauer im Sommer 2009 sogar Insolvenz anmelden. 2010 konnte das Unternehmen aber gerettet werden. Das Management und die verbliebenen 125 Mitarbeiter konnten erleichtert ihr 125-jähriges Firmenjubiläum feiern. Um auch künftig auf dem Weltmarkt – vor allem im Wachstumsmarkt China – bestehen zu können, musste jedoch ein neuer Mehrheitseigner gesucht werden. „Wir begreifen Tradition nicht als das Festhalten an alten Vorgehensweisen, sondern entwickeln uns jeden Tag weiter“, erläutert Geschäftsführer Hannes Schimmel-Vogel seine Geschäftsstrategie. Nun hat sich beim Braunschweiger Klavierhersteller einiges geändert. Zwar werden die hochwertigen Pianos mit dem Qualitätssiegel „Made in Germany“ weiterhin in Braunschweig hergestellt: Doch trifft die unternehmerischen Entscheidungen nicht mehr die Familie Schimmel, sondern die Pearl River Piano Group aus China.
Pearl River will weltweite Marke werden
Warum ist Schimmel für die das chinesische Unternehmen interessant? „Hier sind zwei Giganten der Branche eine Allianz eingegangen“, freut sich LI Jianning, General Manager und Vice Chairman des weltgrößten Klavierherstellers. „Schimmel kann von unserem Vertriebsnetz und unseren Ressourcen profitieren, um in China schnell den eigenen Absatz und Marktanteil auszubauen. Pearl River Piano wiederum profitiert von einer Erweiterung des Markenportfolios und einer Image-Aufwertung.“ Li sieht in der Übernahme zudem eine ausgezeichnete Chance, die Internationalisierung voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Wie kam es zu den ersten Kontakten mit Schimmel? „Wir trafen uns erstmals auf einer internationalen Musikinstrumenten-Messe und begannen durch die Vermittlung eines Beraters offizielle Gespräche“, erinnert sich Li. „Am Ende gab es eine formelle Übereinkunft über die Zusammenarbeit.“ Die größten Hürden bei den Übernahme-Verhandlungen bestanden darin, dass viele Unterlagen gesichtet werden mussten, die nur in Deutsch vorlagen. „Da jedoch beide Unternehmen über internationale Teams verfügen und es die Unterstützung eines Teams professioneller Berater gab, konnten wir uns mit dem Schimmel-Management dennoch effektiv verständigen“, erläutert Li.
Familientradition wird erhalten
Auch nach der Übernahme durch Pearl River soll Schimmel seine Unabhängigkeit behalten. Und die Familie Schimmel zählt wie bisher zu den Eigentümern des Unternehmens. „Die Familie Schimmel behält ihre Rolle als Anteilsinhaber und soll ihre Funktion in der Gesellschaft ausbauen. Neben dem CEO Hannes Schimmel wird auch Viola Schimmel in das Management zurückkehren und die Rolle der Familie Schimmel im Unternehmen stärken“, erläutert Li. Zudem will Pearl River seine neue Tochter auf dem riesigen chinesischen Markt unterstützen. „Künftig wird Schimmel in China auf die großen Ressourcen von Pearl River Piano zurückgreifen können“, verspricht Li. „Schimmel soll eine eigene chinesische Marketing-Niederlassung aufbauen und seine Produktreihen unabhängig vermarkten.“
Unternehmen bleibt eigenständig
Bei Übernahmen werden oftmals die beteiligten Unternehmen verschmolzen. Allerdings ist das bei Schimmel nicht vorgesehen. „Das Management der Marke Schimmel und für die Marke Pearl River gehen weiterhin getrennte Wege“, bestätigt Li. „Die Marke Schimmel soll auch künftig von der Firma Schimmel verwaltet werden.“ Deshalb hat Li auch keine Pläne in der Schublade, chinesische Technologie in den Schimmel-Werken einzusetzen: „Schimmel wird die Produktionsstätten in Deutschland und Polen genauso behalten wie seine traditionellen Herstellungsmethoden“, verspricht Li. Wichtig ist ihm den ausgezeichneten Ruf und den bekannten Markennamen des deutschen Instrumentenbauers zu erhalten. „Schimmel ist eine Top-Marke und verfügt über klare Wettbewerbsvorteile mit Blick auf die geschichtliche Tradition, den Bekanntheitsgrad, das Niveau der Herstellung und auch hinsichtlich des Entwicklungspotenzials.“
FAZIT
In China sind qualitativ hochwertige Produkte von deutschen Herstellern äußerst beliebt. Das zeigt einmal mehr die Übernahme des traditionsreichen Pianobauers Schimmel durch die Pearl River Piano Group: Die gute Produktqualität der Deutschen erlaubt dem Investor aus China, in höhere Marktsegmente einzusteigen. Gleichzeitig ebnet das Unternehmen aus Guangzhou der neuen Tochter den Weg auf den chinesischen Markt und legt dabei Wert auf die Eigenständigkeit und den Erhalt der Traditionsmarke Schimmel.
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