Im Interesse des Landes

Blick aus Qingdao - von Peter Tichauer

Auf X, wie Twitter jetzt heißt, verwirrte mich heute Morgen ein Post des Auswärtigen Amtes. Nach einem Treffen der Außenministerin mit ihrem kirgisischen Amtskollegen heißt es da, Deutschland wolle Partner Zentralasiens sein, „fair und ohne doppelte Agenda“. Zunächst habe ich „doppelt“ überlesen und mich gefragt, ob es sein kann, als Regierung keine Agenda zu haben.

Beim zweiten Lesen verstand ich, andere Länder hätten doppelte Agenden, Deutschland aber nicht. Worum es genau geht, wird in dem Post im Weiteren auch ausgeführt: Die Länder Zentralasiens sollten sich klar entscheiden – für eine Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa – und im großen Mosaik des Abbaus der Risiken, sprich: Abhängigkeit von China, ein weiteres wichtiges Steinchen werden. Entweder-oder also.

Nun, mit der „doppelten Agenda“ ist es allerdings so eine Sache. Wer die Berliner Politik verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass jeder einzelne Minister seine eigenen Ziele verfolgt, getrieben vom persönlichen Ego und parteipolitischen Erwägungen. Im Interesse des Landes ist das keinesfalls, wenn hin und her gezerrt wird und jeder Ressortverantwortliche auf Teufel komm raus versucht, seiner eigenen Klientel zu dienen, um Punkte für die kommende Wahl zu sammeln.

Ob die Punkte wirklich zusammenkommen, wird sich noch herausstellen. Derzeit scheint zunächst einmal alles darauf ausgerichtet zu sein, das Fundament zu zerstören, das in den vergangenen fünf Jahrzehnten aufgebaut wurde, um die deutsch-chinesischen Beziehungen zu entwickeln, zum Vorteil Deutschlands und Chinas. Die von der grünen Außenministerin forcierte Chinastrategie der Bundesregierung betont zwar den Willen, weiter mit China zu kooperierten, de facto läuft es aber darauf hinaus, nur dort den Dialog zu führen und zu kooperieren, wo ohne China offensichtlich Erfolge nicht zu erzielen sind. Die Klimakrise sei keine Blockfrage, erklärte die Außenministerin erst kürzlich. Ohne China wird die grüne Transformation global nicht gelingen.

Dass dafür aber Verständigung zwischen den Menschen beider Länder notwendig ist, auch wissenschaftlicher Austausch, scheint im freidemokratisch geführten Bildungsministerium nicht verstanden zu werden. Die bisherigen Hochschulkooperationen sollen auf den Prüfstand kommen. Doktoranden aus China sollen die Tore zu deutschen Universitäten verschlossen bleiben, wenn sie staatliche Stipendien erhalten. Spionage, so der Angstschrei, mit dem kürzlich die seit Jahren vorangetriebene Bielefelder Hochschulkooperation auf der Insel Hainan ebenso in Verruf gebracht wurde, wie die angestrebte Städtepartnerschaft zwischen Kiel und Qingdao.

Beide Städte pflegen spätestens seit den Pekinger Olympischen Spielen 2008, als Qingdao Austragungsort der Segelwettbewerbe war, freundschaftliche Beziehungen. Nun endlich sollten sie vertraglich besiegelt werden. Die Empörung aus der wertebasierten deutschen Zivilgesellschaft hat Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt kurzerhand einen Rückzieher machen lassen. So wie es inzwischen auch eine Reihe von Universitäten machen, an denen Konfuzius-Institute in den vergangenen Jahren zur deutsch-chinesischen Verständigung beigetragen haben. Von der Regierung müssen wir uns freilich belehren lassen, die Konfuzius-Institute dienten dazu, chinesische Ideen unters deutsche Volk zu bringen. Das machen die Goethe-Institute umgekehrt in China selbstverständlich nicht, will Berlin Glauben machen.

Dass im grünen Wirtschaftsministerium an einer eigenen Chinastrategie gearbeitet wurde, war schon lange bekannt. Vor wenigen Tagen hat der Minister nun erklärt, was ihm vorschwebt: Der Einfluss Chinas auf die deutsche Wirtschaft solle beschränkt werden. Chinesische Investoren, die lange Zeit als willkommen galten, vor allem dann, wenn sie auch neue Arbeitsplätze schufen, sollen künftig strenger an die Leine genommen werden. Insbesondere wenn es um Bereiche geht, die der Staat als strategisch einstuft.

Das wird dann wahrscheinlich Branchen treffen, in denen China einen technologischen Vorsprung hat. Beispielsweise die Batterieproduktion, die für die grüne Verkehrswende durchaus von strategischer Bedeutung ist. Haben sich aber potenzielle Investoren erst einmal für einen anderen Standort entschieden, werden sie Deutschland nicht so schnell erneut die Aufwartung machen.

Egal, ob Deutschlands Wirtschaft im Wettbewerb das Nachsehen hat: Hauptsache, die grüne Ideologie feiert Siege. Und es bleibt die Frage: Warum dienen die Regierungen eigentlich nicht dem Wohl des Landes, sondern in erster Linie ihren Parteien, aus denen sie gebildet sind?

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Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.