Ningbo Jifeng wird für Grammer ein öffentliches Übernahmeangebot für Grammer vorlegen und pro Aktie 60 EUR zahlen. Hinzu kommen 1,25 Euro Dividende für das Jahr 2017. Dazu haben der deutsche Automobilzulieferer und sein chinesischer Partner am 29. Mai eine Investorenvereinbarung unterzeichnet. Diese umfasst langjährige Garantien für das Amberger Unternehmen und seine 13.000 Mitarbeiter. Jifeng hält bisher 25,5% an Grammer. Für die restlichen rund drei Viertel der Anteilsscheine bietet das Unternehmen aus der ostchinesischen Provinz Zhejiang laut dem Angebotspreis mehr als 563 Mio. EUR, wobei die Gesamtbewertung bei über 756 Mio. EUR liegt. Das Übernahmeangebot enthält einen Aufschlag von mehr als 19% auf den Schlusskurs am Tag vor Bekanntgabe der Vereinbarung. Die bosnische Investorenfamilie Hastor, ein weiterer Großinvestor von Grammer, lehnt das Angebot als zu niedrig ab.
Das Tauziehen um Grammer geht in eine neue Runde. Nachdem Grammer mithilfe von Jifeng auf der Hauptversammlung im Mai 2017 den Versuch der Kontrollübernahme der Hastor-Familie abwehren konnte, haben der bayerische Fahrzeugsitzhersteller und sein chinesischer Ankerinvestor mit der Investorenvereinbarung ihre Zusammenarbeit jetzt in rechtlich verbindlicher Form langfristig zementiert. Jifeng verpflichtet sich, den Stammsitz und alle Standorte zu erhalten sowie keinen Beherrschungsvertrag anzustreben. Die einzelnen Zusagen gelten für einen Zeitraum für bis zu siebeneinhalb Jahre. Außerdem soll Grammer weiterhin an der Börse gelistet bleiben.
Kampf um Kontrolle
Wie Grammer ist Jifeng im Bereich der Innenausstattung von Fahrzeugen tätig, allerdings vorwiegend in preisgünstigeren Segmenten. Die börsennotierte Gesellschaft aus Ningbo war Anfang 2017 über eine Wandelanleihe bei den Ambergern eingestiegen, um die Hastors abzuwehren. Diese hatten über die Vehikel Halog und Cascade einen Minderheitsanteil erworben und hielten zeitweise über 22% an Grammer. Die Bosnier hatte 2016 für Furore gesorgt, als der von ihnen kontrollierte Automobilzulieferer Prevent einen Konflikt mit Volkswagen um Preise eskalieren ließ. Prevent stoppte zeitweilig seine Lieferungen und sorgte für einen kostspieligen Produktionsausfall beim Wolfsburger Konzern. Dementsprechend wurde auch die Beteiligung der Hastors an Grammer von der Branche mit Misstrauen betrachtet. Tatsächlich mussten die Amberger in der Folge mit massiven Auftragsausfällen kämpfen.
Ziel in greifbarer Nähe
Laut Medienberichten lehnen die Hastors das aktuelle Angebot von 60 EUR pro Anteilsschein als zu niedrig ab. Wie die Bosnier verlauten ließen, sei ein Preis von 85 EUR, wenn nicht gar von 100 EUR angemessen. Dies entspräche einer Gesamtbewertung von Grammer zwischen knapp 1,1 und 1,26 Mrd. EUR. Doch die Übernahme wird die Investorenfamilie letztlich nicht verhindern können. Jifeng hat eine Mindestannahmequote von 50% plus eine Aktie festgelegt – einschließlich des Anteils von 25,5%, über den die Chinesen bereits verfügen. Derzeit besitzen Halog und Cascade zusammen rund 19,2% der Aktien.
Eine Nummer größer
Grammer erwirtschaftete im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von fast 1,8 Mrd. EUR ein Vorsteuerergebnis (EBIT) von 66,5 Mio. EUR. Die Marktkapitalisierung liegt aktuell bei 842 Mio. EUR. Jifengs Börsenwert liegt bei umgerechnet rund 1,05 Mrd. EUR etwas höher als der von Grammer. Allerdings rangiert man beim Umsatz deutlich hinter dem deutschen Partner. 2017 erzielte der Autozulieferer aus Ningbo Verkaufslöse in Höhe von rund 250 Mio. EUR.
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