Neue Managementkompetenzen für eine neue Zeit

Die See wird rauer: Chinas Investoren müssen sich auf politischen Gegenwind im Ausland einstellen. 波涛汹涌:中国投资者必须在海外应对政治阻力。Bildquelle: Adobe Stock; © Yiucheung

Chinesische Investoren haben in der Vergangenheit von einer offenen Weltwirtschaft profitiert. Daher standen bei Auslandsübernahmen im Heimatland übernommener Firmen häufig geschäftliche Aspekte im Vordergrund. Allerdings erfordern neue Realitäten in der Weltwirtschaft neue politische Managementkompetenzen.

Trotz Widerständen gegen einzelne Deals haben chinesische Investoren insgesamt von einer offenen Weltwirtschaftsordnung und offenen Märkten für Unternehmensübernahmen profitiert. Nach Jahren dieser Schönwettersegelei geraten chinesische Auslandsinvestitionen allerdings zunehmend in schweres Wetter. Derzeitig droht ein Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China. Gleichzeitig nehmen zwischen Europa und China wirtschaftspolitische Spannungen zu. Auf Unternehmensebene werden weltweite Deals zunehmend kritisch durch die US-Behörde für Auslandsinvestitionen (CFIUS) geprüft und Stimmen für eine europäische Übernahmeschutzregelung werden immer lauter. Chinesische Investoren wären wohlberaten, den politischen Anforderungen dieser neuen Zeit gerecht zu werden und ihre Managementkompetenzen entsprechend weiterzuentwickeln.

Alter Managementansatz

Chinesische Genehmigungsverfahren für Auslandsinvestitionen sind nach wie vor vielschichtig und erfordern die Abstimmung mit verschiedenen Regierungsstellen, die häufig durch gegenläufige Interessen geprägt sind. Aufgrund dieser Verfahrenskomplexität und der häufig politischen Dimension von chinesischen Auslandsinvestitionen zeichnen sich erfolgreiche chinesische Käufer ausländischer Unternehmen aus durch die Fähigkeit, politische Klippen in China gut erkennen und umschiffen zu können.

Im Gegensatz zu dieser politischen Orientierung im eigenen Heimatmarkt priorisieren chinesische Unternehmen im Ausland oft geschäftliche Aspekte. Chinesische Investoren konzentrieren sich daher während der Vorbereitungs-, Transaktions- und Integrationsphasen oft auf strategische, finanztechnische und operative Aspekte eines Deals. Politische Vorbereitung und Flankierung werden dabei häufig vernachlässigt. Im Rahmen dieses Ansatzes binden viele chinesische Käufer Dienstleistungsunternehmen anders ein, als dies die Norm im Falle vergleichbarer internationaler Transaktionen ist. Chinesische Investoren nehmen Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, und PR- und Kommunikationsagenturen oft nur minimal in Anspruch und nutzen deren Know-how eher zur handwerklichen Abarbeitung von spezifischen geschäftlichen Details als zur umfassenden strategischen und politischen Beratung und Unterstützung.

Angesichts des politischen Gespürs chinesischer Firmen im eigenen Heimatmarkt ist die stiefmütterliche Behandlung von politischen Aspekten im Falle vieler internationaler M&A-Deals dann doch überraschend.

Neue Managementkompetenzen

In der neuen Zeit, in der geschäftliche und politische Aspekte eines Deals gleichermaßen wichtig werden können, wären chinesische Investoren wohlberaten, ihre politischen Managementkompetenzen auf- bzw. auszubauen, um für schweres politisches Wetter in internationalen Märkten besser gerüstet zu sein. Dabei bieten sich drei Resourcen an:

Internationale Dienstleister: Wie erwähnt nutzen viele chinesische Investoren Dienstleister wie internationale Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater sowie PR- und Kommunikationsagenturen eher minimalistisch. Häufig schrecken chinesische Firmen dabei auch vor international üblichen Tagessätzen zurück. Dies gilt insbesondere für staatseigene Betriebe. Chinesische Firmen sollten sich von diesen vermeintlich hohen Kosten nicht abschrecken lassen. Stattdessen sollten – ähnlich wie von führenden und erfahrenen chinesischen Investoren bereits praktiziert – internationale Dienstleister als strategische Partner zur politischen Vorbereitung und Flankierung eines Deals verstanden und während aller Dealphasen entsprechend in das Dealkernteam integriert werden.

Manager übernommener Firmen: Viele chinesische Unternehmen sind mittlerweile Serienkäufer ausländischer Firmen. Im Rahmen dieser Deals werden oft erfahrene Manager übernommen, die nach erfolgten Übernahmen an Bord bleiben. Diese sind in den lokalen Märkten politisch gut vernetzt und verfügen über navigatorische Fähigkeiten, die im chinesischen Mutterhaus nur eingeschränkt vorhanden sind. Diese wertvollen Resourcen werden allerdings häufig „nur“ zur betrieblichen Führung der übernommenen Firmen eingesetzt. Chinesische Unternehmen sollten ausländische Mitglieder ihrer Führungsteams neben spezifischen geschäftlichen Führungsaufgaben auch zur allgemeinen politischen Beratung des chinesischen Mutterhauses nutzen und sie dabei als strategische Multiplikatoren in den jeweiligen Heimatmärkten einsetzen.

Ausländische Board-Mitglieder: Trotz des schnellen Wachstums von Auslandsinvestitionen bestehen die Aufsichtsgremien vieler chinesischer Unternehmen nur aus chinesischen Mitgliedern. Einige wenige führende Konzerne wie zum Beispiel Lenovo haben mittlerweile auch prominente ausländische Board-Mitglieder, die beträchtliche internationale geschäftliche und politische Expertise beisteuern können. International aktive chinesische Investoren sollten sorgfältig prüfen, ob und wie die Zusammensetzung ihrer Aufsichts- und Beiratsgremien die vorhandene geschäftliche und politische Kompetenzbasis des Unternehmens optimal ergänzt.

Wichtigkeit für ausländische Unternehmen

Die Fähigkeit zur politischen Schlechtwettersegelei ist nicht nur für chinesische Investoren wichtig. Auch für nicht-chinesische Unternehmen und insbesondere deren Arbeitnehmer/-innen gilt, dass keine Partei Interesse an durch eine fehlgeschlagene Übernahme öffentlich beschädigten oder gescheiterten Unternehmen hat. In schwerem Wetter zu bestehen ist erheblich einfacher mit ortskundigen Kapitänen oder zumindest mit guten Lotsen auf der Brücke.

 

ZUR PERSON

Dr. Marc Szepan ist Lecturer in International Business an der University of Oxford Saïd Business School, wo er auch promoviert wurde. Davor nahm er verschiedene Managementfunktionen bei Lufthansa wahr, zuletzt als Senior Vice President, Airline Operations Solutions, bei Lufthansa Systems. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin.

www.sbs.ox.ac.uk

Marc Szepan ist Co-Leiter des Forschungsbereiches Wirtschaft beim Mercator Insitute for China Studie (MERICS).

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch