Wie sind die chinesischen M&A-Aktivitäten zu werten und was ist für die Zukunft zu erwarten?
- Mein Eindruck ist, dass die weitaus meisten Übernahmen und die Phasen danach erstaunlich reibungs- und geräuschlos ablaufen. In meinen Gesprächen mit Managern übernommener Unternehmen höre ich wenige Beschwerden. Die meisten sagen, dass sich die Chinesen aus dem Tagesgeschäft heraushalten und die Zusammenarbeit gut läuft.
- Wir sollten uns damit abfinden, dass M&A ein normales und notwendiges Mittel der Globalisierung sind. Schließlich übernehmen auch deutsche Unternehmen chinesische Firmen (zum Beispiel hat Grohe die Mehrheit beim chinesischen Marktführer für Sanitärarmaturen, der Firma Jouyou, erworben). In 50 Jahren wird es genauso viele deutsche Unternehmen mit chinesischen Eigentümern geben wie heute solche mit amerikanischen Eigentümern – oder sogar mehr.
- Man muss sich bewusst sein, dass die M&A-Aktivitäten immer relative Stärken und deren Dynamik reflektieren. Die Krise von 2009 hat viele Mittelständler geschwächt. Europa und USA stagnierten, China wuchs weiter. So ging im Jahre 2009 der Umsatz von Putzmeister um rund 50% zurück, während der von Sany etwa um den gleichen Prozentsatz wuchs. Innerhalb eines Jahres hatte sich die relative Marktposition der beiden Firmen radikal verschoben. Das war eine wichtige Ursache für die Putzmeister-Übernahme durch Sany im Jahre 2012.
- Das Entscheidende ist aber nicht die Krise, sondern die Strategie chinesischer Unternehmen, die genau wie ihre deutschen Kollegen eine weltweite Präsenz aufbauen wollen und dies auch müssen. Auch hier enthält der Putzmeister-Fall eine Lehre. Um 2000 hatten Putzmeister und Schwing, der zweite große deutsche Hersteller von Betonpumpen, etwa zwei Drittel des chinesischen Marktes. Bis 2006 war dieser Marktanteil unter 10% gesunken. Gleichzeitig machte der chinesische Markt aufgrund des Baubooms rund 60% des globalen Betonmarktes aus. Das ist die wahre Lehre: Wenn man die Marktführerschaft im größten Markt der Welt verliert, dann geht auch die Weltmarktführerschaft verloren und die Übernahme durch den Gewinner wird wahrscheinlicher, wo auch immer dieser herkommt.
- Übernahmen deutscher durch chinesische Unternehmen werden weiter zunehmen. Je nach Geschäftslage und Kapitalmarktsituation wird dieser Prozess in Zyklen ablaufen. Wir sollten uns daran gewöhnen, das als Normalität zu sehen. Und deutsche Unternehmen sollten reziprok auch in China M&A zum Auf- und Ausbau ihrer Marktpositionen nutzen.
Zur Person
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon ist Chairman der weltweit tätigen Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners (www.hermannsimon.com). Vor kurzem erschien sein neues Buch „Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia“.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon ist Chairman der weltweit tätigen Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners (www.hermannsimon.com). Vor kurzem erschien sein neues Buch „Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia“.
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