Die wirtschaftlichen Beziehungen werden zunehmend politisiert. Überall. Wer profitiert davon? Keiner. Nirgends.
Derzeit kochen in Deutschland (und nicht nur dort) die Emotionen hoch. Reißerische Schlagzeilen suggerieren den Deutschen, der Hamburger Hafen würde von China gekauft. Fast entsteht der Eindruck, die stolze Hansestadt Hamburg stehe vor einer feindlichen Übernahme. Durch China.
Fakt ist, der Hafen hat mit der Chinesische Reederei COSCO vereinbart, eine Minderheitsbeteiligung an einem (!) der Hafenterminals zu übernehmen. In einer globalisierten Wirtschaftswelt eigentlich ein ganz normaler Deal. Sowohl im Interesse des Hamburger Hafens als selbstverständlich auch von COSCO. Sonst hätten sie das Geschäft nicht eingefädelt. Doch die Zeiten sind nicht normal. Werte-Deutschland scheint eine Zwei-Klassen-Globalisierung vorzuziehen. Begrüßt wird nur eine für die „Guten“, bei der „Systemrivalen“, wie China neuerdings klassifiziert wird, ausgeschlossen werden.
Grüne, Christdemokraten und Liberale heizen die Stimmung an. So twitterte die Grüne Kathrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, kritische Infrastruktur gehöre nicht verkauft. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, fügte sie das Wort „Punkt“ an. Punkt – das grüne Basta.
Wo waren eigentlich all diejenigen Verteidiger kritischer Infrastruktur, als deutsche Kommunen den Gesetzen des Profits folgend ihr „Tafelsilber“ verscherbelten? Versorgungsunternehmen, die durchaus „kritische Infrastruktur“ sind, um das Funktionieren von Städten und Gemeinden im Interesse der Bürger zu sichern.
Wieder wird die „Abhängigkeit“ beschworen, die Deutschland mit aller Macht vermeiden müsse. Wobei auch hier unterschiedliche Standards gepflegt werden. Denn die transatlantische Abhängigkeit ist ja in Ordnung, ebenso die neu ausgehandelte von den Golf-Staaten. Argumentiert wird, COSCO bekäme die Macht, im Fall der Fälle Yangming- und Evergreen-Schiffen das Einlaufen in Hamburg zu verwehren. Absurd. Hat COSCO das in Piräus getan? Immerhin hat die chinesische Reederei den griechischen Hafen komplett übernommen und ihn damit nicht nur vor dem bevorstehenden Kollaps gerettet, als Europa Griechenland zum Piräus-Verkauf drängte, aber keinen Euro dafür ausgeben wollte. Niedergang in Piräus unter chinesischem Management? Das Gegenteil ist der Fall.
Erstaunlich ist, dass in dieser emotionalen Diskussion nicht die Forderung nach Reziprozität formuliert wird. China beim Wort nehmen, das gerade auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei bekräftigt hat, eine Abkehr von der Öffnungspolitik werde es nicht geben. Fordern, das Land sollte sich weiter öffnen und ausländischen Unternehmen den Zugang zu Investitionen in Infrastruktur wie Häfen ermöglichen. Warum nicht? Am Ende wäre dies ein symbolisches Signal. Denn mal ehrlich, welche deutsche Reederei hätte das Potenzial, sich an Häfen in Shanghai, Ningbo, Shenzhen oder Qingdao zu beteiligen?
Peter Tichauer
Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.
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