Respekt füreinander heißt auch zu akzeptieren, dass Werte hier und dort aus gesellschaftlichen und historischen Gründen unterschiedlich definiert sind.
Im Allgemeinen erzielen wir bessere Ergebnisse, wenn wir respektvoll sind, anstatt Unterricht zu erteilen. So äußerte sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Peking.
Wie Recht er hat
Nach drei Jahren, in denen China wegen Corona von der Außenwelt weitgehend abgeschottet war, geben sich seit einigen Wochen in Peking Spitzenpolitiker aus aller Welt die Klinke in die Hand. Die unterbrochenen Gesprächsfäden werden wieder aufgenommen. Nach Olaf Scholz und Pedro Sánchez ist Emmanuel Macron das dritte Staatsoberhaupt der Europäischen Union, das China seine Aufwartung macht. Mit handfesten Zielen.
Nach chinesischen Angaben entfallen auf den französisch-chinesischen Warenhandel rund 10% der europäischen Umsätze mit China. Macron will mehr und hat, anders als Anfang des Jahres Olaf Scholz, eine beachtliche Wirtschaftsdelegation mitgebracht. Offenbar hat sich in Frankreich herumgesprochen, dass auf die sich seit Jahrzehnten entwickelte wirtschaftliche Bande nicht verzichtet werden kann.
So soll die Zusammenarbeit in wichtigen Bereichen weiter intensiviert werden, in der Luftfahrt etwa oder bei der Kernkraft. Von ‚Entkoppeln‘ keine Rede. Eher von Intensivierung und gezielter Neuausrichtung. Eine Strategie, die ihre Berechtigung hat, ist doch die Welt in den vergangenen drei Jahren nicht stehen geblieben. Neue Entwicklungen, neue Herausforderungen erfordern neue Ansätze für die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Frankreichs Präsident scheint verstanden zu haben, wie wichtig stabile und auf Zukunft ausgerichtete ökonomische Beziehungen sind, um den Partner auch bei heiklen politischen Fragen mit ins Boot zu bekommen. Bei der Suche nach Wegen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zum Beispiel. Dass Frankreich und China dabei unterschiedliche Ansätze verfolgen, ist bekannt. Beide Standpunkte nicht nur anzuhören, sondern zu versuchen, sie unter einen Hut zu bringen, ohne auf seiner eigenen Position als absoluter Wahrheit zu beharren, das ist es, was Macron mit Respekt für den anderen meint.
Vor allem ist ihm bewusst, als ‚Lehrmeister‘ sind die Europäer in China längst nicht mehr willkommen. Wer wirtschaftliche Kooperation, anstatt zu fördern, einschränken will und alles daransetzt, sich vom ‚strategischen Rivalen‘ China wirtschaftlich unabhängig zu machen, wird es schwer haben, ebendieses China zu gewinnen, um den einen oder anderen Knoten bei der Lösung globaler Fragen zu durchschlagen.
Respekt füreinander heißt auch zu akzeptieren, dass Werte hier und dort aus gesellschaftlichen und historischen Gründen unterschiedlich definiert sind. Zu wünschen wäre, dass dies sowohl in den Amtsstuben der Europäischen Kommission verstanden wird als auch von dem einen oder anderen deutschen Politiker(in), der meint, China belehren zu müssen.
Peter Tichauer ist ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.
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Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)