Ab Donnerstag besucht Bundeskanzlerin Merkel die Volksrepublik. Obwohl die Beziehungen mit China blendend sind, ist der Besuch nicht gänzlich unproblematisch.
Vom 5. bis zum 7. September wird die Kanzlerin das Reich der Mitte besuchen. Sie wird sich mit dem chinesischen Premierminister Keqiang Li zum Frühstück und Mittagessen treffen, mit dem chinesischen Präsidenten Jinping Xi dinieren, vor Studenten der Eliteuniversität Huazhong in Wuhan sprechen und einige Unternehmen besuchen. Natürlich wird Merkel von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet, in der etliche Dax-Vorstände vertreten sein werden. So weit, so gut und angesichts der allgemein sehr guten deutsch-chinesischen Beziehungen könnte man eigentlich von einem Routinebesuch sprechen. Dennoch findet der Besuch doch unter schwierigen Vorzeichen statt.
Allen voran wären da natürlich der eskalierende Handelskrieg mit Deutschlands wichtigstem Verbündeten, den USA, zu nennen und natürlich die unsichere und unübersichtliche Situation in Hongkong, bei der eine Eskalation ebenfalls nicht ausgeschlossen ist. Allerdings betrifft der Handelskrieg die deutsch-chinesischen Beziehungen aktuell nicht (und gereicht unter bestimmten Umständen deutschen Unternehmen sogar zum Vorteil, wenn beispielsweise die Konkurrenz durch Schutzzölle teurer wird) und Hongkong ist – solange die Situation nicht dramatisch eskaliert – auch eine interne chinesische Angelegenheit. Aber auch an anderen Stellen scheint etwas Sand im Getriebe zu sein.
Seit der Übernahme des Augsburger Robotikunternehmens Kuka durch den chinesischen Mischkonzern Midea, die auch medial sehr hoch gehängt und intensiv begleitet wurde, wächst die Sorge um einen Ausverkauf von Schlüsselindustrien nach Fernost bei Bevölkerung und Wirtschaft. Unbesehen von der durchaus berechtigten Frage, weshalb sich denn dann kein deutsches Unternehmen zur Übernahme von Kuka bereitfand, trug die Bundesregierung dieser Sorge Rechnung und etablierte neue Verordnungen und Gesetze zur Regelung bei Übernahmen aus dem Ausland. Auf China wirkte das genau jener Protektionismus, den man dem Reich der Mitte oft genug vorwirft. Auch die Zwischentöne beim Streit um den neuen Mobilfunkstandard 5G und die Frage, in wie weit Huawei sich beteiligen darf bzw. wird, wurden in Peking genau registriert. Umkehr wiederum sorgte die Nichterteilung eines Visums für eine Bundestagsabgeordnete für steilere Augenbrauen in Berlin.
Zudem schwächelt die Konjunktur in beiden Ländern über die letzten Jahre ist China eben nicht nur ein immer wichtigerer Absatzmarkt geworden, sondern auch mehr und mehr zu einem wirtschaftlichen Konkurrenten herangewachsen. Die teilweise ähnliche Ausrichtung der Volkswirtschaften auf Maschinen- und Automobilbau sowie Chemieindustrie verstärkt dies. Entsprechend ist die sicherlich auf der Agenda stehende Frage nach der weiteren (und vor allem schnelleren!) Öffnung der chinesischen Märkte von besonderer Diffizilität.
Schließlich muss Merkel auch den Erwartungen der europäischen Partner und Verbündeten Rechnung tragen, allen voran natürlich Brüssel, das recht eifersüchtig darauf achten wird, dass seine eigenen Kompetenzen nicht beschädigt werden und ob die deutsche Kanzlerin deutsche Interessen voranstellt oder die erst jüngst formulierten Leitlinien einer gemeinsamen EU-China-Politik einhält.
Es gibt also einige Fallen und Fettnäpfchen, die auf die Kanzlerin in China warten – andererseits hat Angela Merkel sicherlich mehr als genug Erfahrung auf dem diplomatischen Parkett als dass sie die Hürden nicht meistern könnte. Zudem steht auch für Peking einiges auf dem Spiel, schließlich ist die EU und damit auch Deutschland eben nicht dabei, sich von China zu entkoppeln und die Europäer unterstützen – zumindest in Maßen – auch die Vorstellungen von einer stärker multilateral geprägten Weltordnung. Wir dürfen also gespannt sein, welche Ergebnisse und Erkenntnisse am Ende des Besuchs stehen werden.
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