Insbesondere in Krisenzeiten wie der aktuellen bildet Vertrauen das Fundament dafür, dass Führungskräfte und ihre Teams auch über Videokonferenzen gut miteinander arbeiten. Weil deutsche Manager mittlerweile über einen langen Zeitraum keinen persönlichen Austausch mit Mitarbeitern vor Ort haben, wird die Frage nach der Besetzung von Führungskräften in China (Locals vs. Expats) immer stärker diskutiert. Dies gilt umso mehr, wenn kritische Schlüsselpositionen nicht besetzt werden können, weil Telefonate und/oder Videointerviews als Entscheidungsgrundlage nicht ausreichen. Bei Geschäftsführerposten oder anderen C-Level-Positionen bestehen deutsche Unternehmen auf ein persönliches Gespräch; chinesisch investierte Unternehmen hingegen zeigen sich dabei flexibler und entscheidungsfreudiger.
Für das Finden und Weiterbilden von Fach- und Führungskräften im deutsch-chinesischen Management haben sich aus unserer Erfahrung des vergangenen halben Jahres fünf Aktionsfelder als effizient herausgestellt:
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Messbare Erfolge und Transparenz
Um Vertrauen zu festigen oder auszubauen, bedarf es zweier Zutaten.
Erstens: Erzielen Sie gemeinsam mit den Mitarbeitern schnelle und messbare Erfolge. Das können Sie z.B. durch einen Wettbewerb unter Teams oder Abteilungen für Businessideen erreichen. Diese werden dann von einem paritätisch besetzten Gremium prämiert werden – denn gerade in China, wo das Bildungssystem mehr auf die Wissensvermittlung als auf die Lösungskreativität ausgerichtet ist, lässt sich durch Wettbewerbe die fürs Problemlösen wichtige Kreativität der Mitarbeiter aktivieren.
Zweitens: Seien Sie so transparent, dass Mitarbeiter Ihr Handeln gut nachvollziehen können, auch wenn sie 7.000 km weit entfernt arbeiten. Insbesondere die Antworten auf die drei W-Fragen (why, how, what) sollten Mitarbeitern klar sein. Gerade chinesische Mitarbeiter brauchen hier viel klarere und offensichtlichere Strukturen, neigen sie beim Arbeiten doch viel mehr zum Mikromanagement. Das muss dem Management bewusst sein, das von Deutschland aus Mitarbeiter in China führt. Auch bei Recruting-Prozessen muss man im Zusammenhang mit China noch weitaus mehr auf Transparenz setzen. Denn hier sind deutlich mehr Stakeholder in die Entscheidungsrunden einzubeziehen als in Deutschland, wo eine Entscheidungsrunde für das Einstellen von Top-Personal teils gar nur aus Geschäftsführer und Inhaber besteht.
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Sicherheit als Fundament für Zusammenarbeit
In Krisensituation bekommt Sicherheit oberste Priorität. Aber was Sicherheit verleiht, darin bestehen wichtige Unterschiede zwischen chinesischen und deutschen Mitarbeitern. So werden z.B. schlechte Nachrichten von chinesischen Mitarbeitern noch viel negativer aufgefasst als von ihren deutschen Pendants. Gegebenenfalls führen sie bei Ersteren bedeutend leichter zur Kündigungsbereitschaft. Deshalb ist beim Formulieren und Ausgestalten von negativen Nachrichten in Krisenzeiten für chinesische Mitarbeiter eine hohe Aufmerksamkeit genauso erforderlich, um kein Vertrauen zu verspielen. Die transparente, optimistische, nach vorne gerichtete Kommunikation ist dann noch viel wichtiger als in Deutschland.
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„Faktor Mensch“
Hat ein Managementkandidat die offiziellen Qualifikationsanforderungen erfüllt, kann der Recruting-Prozess bei deutschen Unternehmen in der Regel zeitnah abgeschlossen werden. In China hingegen nehmen sich die Verantwortlichen für den Einstellungsprozess von Managern viel mehr Zeit als in Deutschland; der Vertrauensaufbau dauert bedeutend länger, was für deutsche Kandidaten oft ungewöhnlich ist. Mit deutschen Kandidaten für Managementpositionen in chinesischen Unternehmen sollte man von daher den Vertrauensbildungsprozess frühzeitig starten. So könnte man sie bereits in der Anbahnungsphase Meetings leiten lassen.
Wenn Manager von Deutschland aus dann Mitarbeiter in China über die Distanz führen, wird es in Krisenzeiten umso wichtiger, sich in deren Situation vor Ort einzudenken, um Vertrauen aufzubauen und zu festigen: Wie kann ich noch enger und optimistischer mit ihnen kommunizieren? (Zum Beispiel sollte man sich in der Krise noch weitaus mehr nach dem Zustand von Eltern und anderen Angehörigen erkundigen.) Welche Sorgen treiben ihn und seine Familie um? Wie gut werden seine Bedürfnisse in der Krise berücksichtigt?
Schließlich ist man in China vom Dan-wei-Grundsatz geleitet, dass es dem Management obliegt, sich wie ein Familienoberhaupt um alles zu kümmern. Für das Führen aus der Ferne sollte man deshalb auch die Kommunikationsfrequenz im Kontakt mit chinesischen Mitarbeitern deutlich erhöhen und dafür die für sie relevanten Kanäle wie WeChat etc. nutzen.
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Erfolge gemeinsam realisieren
Im Gegensatz zu den vorherrschenden Unternehmenskulturen in Deutschland sind es Teams und Mitarbeiter in China gewohnt, viel privat zu unternehmen. Das gemeinsame Essen, der Ausflug mit dem Team oder der gemeinsame Besuch der Chinese-New-Year-Aufführung sind fast schon Pflicht, damit eine gute Teamkultur entsteht. Insbesondere wenn eine deutsche Führungskraft chinesische Teams zu führen hat, sollte ihr das bewusst sein. Optimal ist, wenn sie gemeinsam mit ihrem Team für nachprüfbare schnelle Erfolge in Projekten sorgt. Das Erfolgefeiern hebt die Stimmung eines chinesischen Teams noch deutlich mehr als in Deutschland. Es lässt die Erfahrung der virtuellen Umgebung von Videokonferenzen in den Hintergrund treten. Chinesische Teams erleben dann eine derartige Zusammengehörigkeit, dass sie bereit sind, die Extrameile zu gehen, auch am Wochenende zu arbeiten und sich stark zu engagieren.
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Die wichtigen Zukunftsfragen stellen
In einer Krise ist eine noch viel stärkere Kundenorientierung notwendig. Was benötigen unsere Kunden jetzt mehr als vorher? Welche Geschäftsfelder werden an Bedeutung verlieren? Wie kann man in der Krise auch vom deutschen Headquarter in China Innovationen anregen? Die deutsch-chinesischen Erfolgsbeispiele dafür werden immer mannigfaltiger, da werden in Teams, die in Deutschland und in China sitzen, mit Erfahrungen aus der Dichtungstechnik innovative Antriebstechniken entwickelt oder es entstehen Cloudplattformen, die Lösungen für veränderte Supply Chains bereitstellen. Solche Lösungen sind möglich, obwohl die deutschen und chinesischen Beteiligten mehr als fünf Monate nur via Zoom, Teams oder WeChat Kontakt miteinander hatten – dies zeigt, dass man auch von Deutschland die nötige Innovoation und Effizienz vorantreiben kann.
Fazit
Gerade in Krisenzeiten bereitet Vertrauen als eine der wichtigsten Führungsaufgaben den Nährboden dafür, dass deutsch-chinesische Teams den Unternehmenserfolg vorantreiben. Bei den fünf dafür zentralen Faktoren – messbare Erfolge und Transparenz, Sicherheit, Faktor Mensch, gemeinsames Erleben der Erfolge und Antworten für wichtige Zukunftsfragen – gilt es für das Führungspersonal, die Unterschiede zwischen China und Deutschland zu beachten. Wenn man sie gut berücksichtigt, dann entwickeln Teams innovative und kreative Lösungen, um gestärkt aus der Krise zu kommen.
Martin Tjan
Martin Tjan berät seit 2004 deutsche und chinesische Unternehmen bei der Rekrutierung von Führungskräften in Asien und Europa. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er westliche und asiatische Manager auf ihrem beruflichen Weg begleitet. Herr Tjan hat extensive Chinaerfahrung: Unter anderem hat er acht Jahre in Shanghai gelebt und gearbeitet. Er ist Geschäftsführer der JP contagi GmbH mit Sitz in Düsseldorf und verantwortet das China Desk innerhalb der contagi Gruppe.
Patrick Sourek
Mit mehr als 18 Jahren Erfahrung im Bereich Learning and Development hat Patrick Sourek für internationale Unternehmen wie Lufthansa und Hutchison Whampoa als Managementtrainer und Berater gearbeitet. Er ist Gründer und Geschäftsführer der auf deutsch-chinesische Organisationsentwicklung spezialisierte Beratung páng & partner.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch