Strategisch handeln – und voneinander lernen

Deutschland und China verbindet eine ‚umfassende strategische Partnerschaft‘. Strategisch handeln war nie als Einbahnstraße gedacht.

Deutschland und China verbindet eine „umfassende strategische Partnerschaft“. Auch wenn in Ampel-Deutschland derzeit eher versucht wird, die Beziehungen zu China auf „kleiner Flamme“ zu halten, wurde hierzulande dieser Tage erneut darauf verwiesen: Ein Jahrzehnt ist es her, dass sich die Regierungen beider Länder darauf geeinigt haben.

Nun mag man streiten, was es bedeutet, eine „umfassende strategische Partnerschaft“ zu pflegen. Längst ist es nicht mehr das höchste Niveau, mit dem China seine bilateralen Beziehungen mit einem Land charakterisiert. Eine „strategische Partnerschaft“ sollte sich, so meine Überzeugung, durch den Willen auszeichnen, strategisch zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen der Zukunft besser meistern zu können. Durch ein Umfeld, das es beiden Partnern ermöglicht, nicht nur voneinander zu profitieren, sondern auch gemeinsam zu wachsen. Nicht ausgrenzen, sondern einbinden. Voraussetzung für eine Partnerschaft, die zu Recht als „strategisch“ bezeichnet wird, ist Respekt für den anderen und der Wille, vom Partner zu lernen.

Futuristic Concept: Businessman in Glasses Reading Notebook and Watching News on Augmented Reality Screen while Sitting in a Autonomous Self-Driving Zero-Emissions Car.Wer die Geschichte der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik offen, nüchtern und ohne Vorurteile betrachtet, kommt nicht umhin festzustellen, die Bereitschaft zum Lernen – in der westlichen Welt gern als Kopieren dargestellt – ist der Kern des wirtschaftlichen Erfolges der vergangenen Jahrzehnte. Das Rad nicht doppelt zu erfinden, sondern die Erfahrungen der Partner nutzen und den Partner dabei auch profitieren lassen – das hat funktioniert. Und die chinesische Wirtschaft in die Lage versetzt, in vielen Bereichen auf- und in manchen die sogenannten entwickelten Industrieländer gar zu überholen. Bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben etwa, in moderner Kommunikationstechnologie oder im Bereich des schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehrs.

strategisch handeln: bisher jeder für sichDieses Aufholen versetzt Europa zunehmend in Angst und Schrecken. Es kann ja nicht sein, dass die Industrie aus einem „Dritte-Welt-Land“ die westliche Welt herausfordert. Also werden offene Märkte allmählich geschlossen. Durch Sanktionen. Durch Zölle. Die eigene Industrie müsse geschützt werden, heißt es. Vor der subventionierten „Warenflut“ aus China. Innovationskraft wird Chinas Unternehmen en passant abgesprochen. Dabei wäre der effektivste Schutz, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der europäischen Industrie ermöglichen, Innovation voranzutreiben. Die es ihr möglich machen, in den Wettbewerb zu treten. Das alte Wort von der Konkurrenz, die das Geschäft belebe und zu Höchstleistungen treibe, gilt nach wie vor.

Mehr noch: Die westliche Welt sollte lernen, dass es sich auch lohnen kann, vom chinesischen Partner zu lernen. Dass ihr das so schwerfällt, ist durchaus auch Schuld der Chinesen, die nach wie vor auf Bescheidenheit setzen und lieber betonen, von den deutschen Erfahrungen lernen zu wollen, sich aber schwer damit tun, eine Antwort auf die Frage zu finden, was denn die Deutschen von China lernen könnten. Die oben genannten Branchen gehören ebenso dazu wie gezielte Maßnahmen, die China ergreift, um Innovation voranzubringen. Wirtschaftsstrategien, die auf Zukunft gerichtet sind und pragmatisch umgesetzt werden.

Eine umfassende strategische Partnerschaft heißt auch Arbeitsteilung. Ressourcen können gespart werden, wenn nicht jeder Partner alles macht, sondern jeder Partner das macht, was er am besten kann. Dass sich deutsche und chinesische Wirtschaft ergänzen, ist ein „alter Hut“. Heute trifft es aber mehr denn je zu. Wir müssen es schaffen, uns dies zu Nutze zu machen, anstatt zu versuchen, den anderen auf die eine oder andere Art auszubremsen. Denn wenn, wie Anfang Oktober zu lesen war, nun auch China seine E-Autobauer vor Knowhow-Abfluss in den europäischen Ländern warnt, ist klar, woher der Wind weht. Die Zukunft aber muss anders aussehen.

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Ausgabe 2/2024 Biotechnologie 2024 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.