China schaltet bei der Reform der Staatskonzerne einen Gang höher. Zahlreiche Großunternehmen, die direkt der Zentrale in Peking zugeordnet, stellten in den vergangenen Wochen ihre Pläne zu einer Teilprivatisierung vor. Inzwischen sind auch staatliche Betriebe, die sich im Eigentum von Provinzen und Städten wie Tianjin oder Shanghai befinden, gehalten private Investoren zu suchen. Auch eine stärkere Kooperation mit dem Ausland ist gewünscht. Um sich vor Ort mit dem wirtschaftlichen Umfeld vertraut zu machen, organisierte das State-owned Assets Supervision and Administration Comittee (SASAC) der Stadt Tianjin in Frankfurt einen Austausch zum Thema Investition und M&A in Deutschland.
Rund 30 Delegierte von Unternehmen und Behörden der nordchinesischen Hafenstadt fanden sich am 9. Mai in den Räumen der China International Investment Promotion Agency Germany (CIIPAG) ein. Fast genauso viele Vertreter von Beratern und Unternehmen aus der Mainmetropole und ganz Deutschland waren gekommen, um sich mit den Vertretern aus Tianjin über die Investitionbedingungen in Deutschland und die Entwicklung der chinesischen Outbound-M&A auszutauschen.
Drehscheibe Frankfurt
Dass die Delegation aus Tianjin in Frankfurt Halt machte, freute Bertram Roth, China-Direktor der Investitionsgesellschaft FrankfurtRheinMain GmbH, ganz besonders. Gleichzeitig war die Wahl der Mainmetropole als Veranstaltungsort aber nur folgerichtig: internationales Finanzzentrum, globaler Messestandort und zentraleuropäischer Verkehrsknotenpunkt – an der Mainmetropole führt für ausländische Investoren kaum ein Weg vorbei. Nach Hessen floss in den vergangenen Jahren rund 60% des gesamten chinesischen Investitionsvolumens in Deutschland. Über Mangel an Anfragen kann Roth daher nicht klagen. Pro Jahr betreut seine Ansiedlungsagentur 30 bis 40 Projekte aus China: Greenfield-Investments, IPOs und M&A-Transaktionen.
Verschärftes Umfeld
Die aktuelle Entwicklung bei den chinesischen M&A-Transaktionen stellte ZHANG Huanping, Gründer und Geschäftsführer von Eurasian Consulting, den Unternehmern aus Tianjin vor. Der erfahrene Berater verwies darauf, dass nach dem Rekordjahr 2016 mit seinen weit über 60 Beteiligungen und Übernahmen durch chinesische Investoren in Deutschland, das Investitionsumfeld schwieriger geworden ist. Die Verschärfung der chinesischen Devisenpolitik Ende letzten Jahres hat für Verunsicherung bei deutschen Verkäufern gesorgt, ob die chinesischen Unternehmenskäufer ihre Zahlungsversprechen auch halten können. Doch die Investoren aus dem Reich der Mitte haben sich auch unter erschwerten Bedingungen als anpassungsfähig und erfolgreich erwiesen. Erst wenige Tage zuvor war Zhang wesentlich daran beteiligt, den Verkauf des Pharmazeutikausrüsters Romaco aus dem Portfolio der Deutschen Beteiligungs AG an Truking Technologies aus Changsha unter Dach und Fach zu bringen.
Realistische Bewertungen
Wie Käufer aus China deutsche Zielunternehmen richtig bewerten können, erklärte Dr. Michael Bormann, Gründungspartner von bdp, den Besuchern aus Tianjin. Die Beratungsgesellschaft hat zu der Hafenstadt eine enge Beziehung. 2013 eröffnete bdp dort ihr erstes Chinabüro. Anhand eines Fallbeispiels stellte Bormann dar, wie man mit der Anwendung von EBIT- bzw. EBITDA-Mulitples systematisch zu einer realistischen Bewertung eines Targets gelangt. Natürlich sind neben der Einschätzung des Unternehmenswerts und einer ausführlichen Due Diligence auch ganz grundlegende Überlegungen zum Marktumfeld des Targets und seinen geschäftlichen Perspektiven sowie zu den Motiven des Verkäufers notwendig, um sicherzustellen, dass am Ende ein fairer Preis gezahlt wird.
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