Trotz pandemiebedingter Unterbrechungen und Lieferengpässe werden sich die weltweiten Exporte bis 2030 voraussichtlich um 70 Prozent auf fast 30 Billionen US-Dollar wachsen und damit fast verdoppeln. Das ergibt die neue Standard Chartered-Studie The Future of Global Trade, die auf der Analyse von Handelsdaten und einer Umfrage unter mehr als 500 Führungskräften in globalen Unternehmen basiert.
Einen Großteil des Wachstums werden dreizehn Kernmärkte ausmachen – darunter jedoch kein Markt aus Europa, Nord- oder Südamerika. Wenig überraschen dürfte es deswegen, dass laut Studie mehr als 80 Prozent der CEOs erwägen, in den nächsten fünf bis zehn Jahren Produktionsstätten in den Wachstumsmärkten Asien, Afrika und dem Nahen Osten zu errichten. Interessant ist vor allem, dass von den Wachstumsmärkten nur China den deutschen Markt als einen der wichtigsten Handelskorridore identifiziert hat.
Deutschland bleibt unter Chinas Top-Handelspartnern
Die Studie zeigt, dass der Handelskorridor zwischen Deutschland und China im nächsten Jahrzehnt zu einer der weltweit wichtigsten Beziehungen werden wird. Ein Drittel der befragten Unternehmen planen sogar, zukünftig im Korridor China-Deutschland tätig zu werden, wenn sie es nicht bereits sind. Deutschland bleibt auch weiterhin ganz klar einer der wichtigsten Exportmärkte. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen erwarten in den nächsten zehn Jahren ein jährliches Umsatzwachstum der Exporte nach Deutschland zwischen 5-10 Prozent.
Dass Deutschland als Europas wirtschaftlicher Wachstumstreiber das größte europäische Exportziel von China ist, sollte bekannt sein. Deutschlands robuste Verbrauchernachfrage, vor allem nach Elektronik aus China, kurbelt die Handelsbeziehung weiter an. Auch die strategischen Verbindungen zwischen Ostasien und Europa nehmen mit der stärkeren Verbrauchernachfrage in Europa zu. Besonders Deutschland ist für China dabei unter anderem aufgrund des hohen durchschnittlichen Haushaltseinkommens ein attraktives Exportziel: die Gesamtausgaben der privaten Haushalte in Deutschland werden Prognosen zufolge jährlich um 4,9 Prozent steigen und bis 2025 knapp 2,5 Mrd. USD erreichen. Ein idealer Absatzmarkt für die chinesische Unterhaltungs- und Fitnesselektronik, aber auch für die Textilindustrie. Als einer der größten europäischen Bekleidungseinzelhandelsmärkte in Europa importiert Deutschland Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilien auf konstant hohem Nachfrageniveau aus China.
Deutschland profitiert von steigender Nachfrage
Da der Aufstieg Chinas weiterhin Exportchancen bietet, profitiert auch Deutschland. In den vergangenen 20 Jahren ist kein Land so gewachsen wie China. Mit einem durchschnittlichen Wachstum von fast 9 Prozent pro Jahr ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – und nach Kaufkraft des Volkseinkommens bereits die Weltgrößte. Mittlerweile ist China auch weltgrößter Exporteur – und eindeutig Deutschlands wichtigster Wachstumsmarkt. 2016 wurde China sogar zum größten Handelspartner Deutschlands, wovon auch der deutsche Handel stark profitiert.
Eine Studie der Unternehmensberatung Bain mit, dass der weltweite Luxusgütermarkt im laufenden Jahr auf 283 Milliarden Euro wachsen würde. Das ist ein Wachstum von fast 30 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Wichtiger Treiber der Erholung ist – wie könnte es anders sein – China. Im Reich der Mitte hat sich das Marktvolumen in den letzten zwei Jahren auf 60 Milliarden Euro verdoppelt. Die Erholung in Europa lässt hingegen noch auf sich warten.
Fazit
China hat gute Chancen, in rund 30 Jahren wirtschaftlich so stark zu sein wie die EU und die USA zusammen. Der Wettbewerbsdruck steigt dadurch für Europa und die USA in Zukunft natürlich weiter an. Das macht eine wirtschaftliche Abkopplung von China für Deutschland aktuell jedoch nur schwer vorstellbar. 36 Prozent der befragten Unternehmen sehen sogar die geopolitische Dynamik als einen wichtigen Wachstumsfaktor für Exporte nach Deutschland. China hat wiederum bereits mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens RCEP gezeigt, dass Investitionsverbote und Sanktionen die Wirtschaftsmacht nicht aufhalten können.
The Future of Global Trade macht deutlich, dass China ein wichtiger Wachstumstreiber für deutsche Unternehmen bleibt, sowohl beim Import wie bei Export. Handel bedeutet nach wie vor Wohlstand – das gilt auch für ein exportorientiertes Land wie Deutschland.
Heinz Hilger
Heinz Hilger ist seit März 2019 Vorstandsvorsitzender der Standard Chartered Bank AG mit Sitz in Frankfurt, die deutschen DAX-Konzernen und mittelständischen Marktführern eine breite Palette von Bankdienstleistungen rund um ihre Geschäftsbeziehungen in Asien, Afrika und dem Nahen Osten anbietet.