Auch wenn der Automobilabsatz zuletzt Corona bedingt stagnierte, wird bereits heute rund jedes dritte Auto von deutschen Autoherstellern wie BMW, Mercedes-Benz oder Volkswagen in China verkauft. Aber chinesische Unternehmen holen auf und gewinnen Marktanteile. Auch sie können die stark anwachsende Nachfrage nach Elektroautos gut bedienen. Die Karten werden also neu gemischt – technologisch, aber auch in der Kommunikation. In einer umfangreichen Studie wertete das Media-Intelligence Unternehmen UNICEPTA im ersten Quartal 2022 über 10 Millionen mediale Erwähnungen über Automarken in China aus. Und kam zu teilweise überraschenden Ergebnissen. Von Dr. EVELYN ENGESSER / UNICEPTA
Wenn es um Popularität geht, liegen westliche Automarken in China seit Jahren klar in der Käufergunst. Im Februar 2022 – noch vor dem langen und strengen Lockdown in Shanghai – wurden laut der China Passenger Car Association rund 550.000 ausländische Fahrzeuge verkauft. Entsprechend häufig wird gerade über die deutschen Automarken berichtet. Dabei landete Mercedes in einem Vergleich der medialen Sichtbarkeit von 15 in China populären Marken auf dem ersten Rang. Allein im ersten Quartal 2022 gibt es knapp 2,2 Mio. Erwähnungen der Marke mit dem Stern in Online-Medien, im Twitter ähnlichen Weibo und auf der multifunktionalen Messenger- und Service-App WeChat. Viel Beachtung fanden neben der Umbenennung in Mercedes-Benz Group AG auch die starken Bilanzzahlen für 2021.
Platz zwei besetzt Audi unter anderen mit der Eröffnung des „House of Progress“ in Shanghai als größter Audi Store weltweit und die Integration der Marke Bentley in den Audi-Konzern.
Der dritte Platz geht an BMW. Der Münchner Hersteller stellte auf der CES in Las Vegas innovative Technologien zur digitalen Individualisierung vor, die große Beachtung fanden. Für positive Schlagzeilen sorgten auch die Verkaufszahlen: BMW hat in China 2021 mehr Autos verkauft als jede andere deutsche Luxusmarke.
Die Analyse von UNICEPTA zeigt, dass ein beachtlicher Teil der Kommunikation bei den drei Spitzenreitern auf Weibo und WeChat entfällt. Bei Mercedes-Benz ist es fast jede zweite Nennung, bei Audi und BMW jede dritte.
Nach den drei deutschen Spitzenreitern folgt mit deutlichem Abstand das 2003 gegründete Unternehmen BYD, der größte chinesische Hersteller von Elektroautos. BYD – ein Akronym für Build Your Dreams – trat mit der Ankündigung höherer Preise, der Vorstellung neuer Modelle und einem neuen Firmenlogo in Erscheinung. Knapp dahinter folgt NIO, hier bestimmte der Börsengang am 10. März in Hong Kong die Berichterstattung.
Neue Social-Media-Wege von Mercedes-Benz, Audi und BMW
Die Kommunikation westlicher Automobilmarken kann also als deutlicher Erfolg gewertet werden. Das liegt wohl vor allen Dingen an einer gelungenen Anpassung an die chinesische Medienlandschaft. Sie ist ein weitgehend autarkes System, geprägt von jungen Apps und Plattformen, die im Rekordtempo Reichweiten und Marktmacht aufgebaut haben.
Eine wichtige Rolle spielt deshalb die Kommunikation über China-eigene Social Media-Kanäle. Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und seit 2021 auch LinkedIn sind in China nicht nutzbar und wären wohl selbst bei Verfügbarkeit wenig relevant.
An ihrer Stelle stehen extrem populäre Plattformen wie Weibo, WeChat, Douyin (außerhalb Chinas bekannt als TikTok), Bilibili oder Xiaohongshu. Da diese jedoch in ihren Funktionen und im Nutzerverhalten mit westlichen Kanälen nur bedingt vergleichbar sind, müssen ausländische Hersteller umdenken. Und das gelingt immer besser. Alle durch UNICEPTA analysierten Autofirmen sind auf diesen Kanälen aktiv. Die Social-Commerce-Plattform Xiaohongshu wird – mit Ausnahme von BMW und dem chinesischen Hersteller Changan – von allen Automobilunternehmen eingesetzt.
Die Q&A-Plattform Zhihu wird von allen analysierten Unternehmen bis auf Porsche und Li Auto genutzt. Besonders aktiv ist hier die Marke Audi, und zwar mit Beiträgen, die auf den ersten Blick nichts mit der eigenen Marke zu tun haben, um dann doch noch einen Schwenk zum eigenen Produkt zu finden. So wird etwa in einer Frage zu berühmten Science-Fiction-Verfilmungen zunächst der DeLorean in Back to the Future erwähnt, dann der Audi RSQ, der in der Verfilmung des Isaac Asimov Romans ‚I Robot‘ mit Will Smith eine Rolle spielt, und letztlich die futuristischen Konzeptfahrzeuge Grandsphere und Skysphere. Mit dieser Storytelling-Strategie hat Audi bereits deutlich mehr Follower als BMW und Mercedes-Benz gewonnen. Auf Zhihu beteiligen sie sich wenig am kanalspezifischen Beantworten von Fragen, sondern posten vorrangig Bilder ihrer Autos.
Die Regeln von Chinas größtem Microblogging-Dienst Weibo beherrscht dagegen BMW perfekt. Beispiel dafür ist der „BMW Green Friday“. Seit über einem Jahr beleuchten BMWs Weibo-Posts jeden Freitag neue Nachhaltigkeitsthemen. Die meisten Posts beziehen sich direkt auf BMW, es gibt aber auch übergeordnete Themen wie „sustainable lifestyle“. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Im September 2021 hat die chinesische Staatsführung Klimaneutralität bis 2060 zum Ziel ausgerufen.
Chinesische CEOs in der Berichterstattung vorn
Konnten deutsche Fahrzeughersteller ihre Produktinnovationen und Nachhaltigkeitsthemen besonders erfolgreich platzieren, so abgeschlagen sind sie bei der Positionierung ihres Top-Managements. Bei der CEO-Kommunikation dominieren klar die chinesischen Unternehmenslenker, allen voran die Gründer der chinesischen New Energy Brands NIO, Li Auto, BYD und XPeng.
NIO-Chef William Li führt das UNICEPTA Sichtbarkeitsranking mit großem Abstand an. In den Medien wird er gern als chinesischer Elon Musk oder als „godfather of mobility“ bezeichnet. Im ersten Quartal 2022 machte er vor allem durch NIOs Börsengang in Hong Kong von sich reden, sein vierter IPO.
Namensvetter Li Xiang, Gründer von Chinas größter Autoplattform Autohome und der Automarke Li steht auf Platz zwei im CEO-Ranking. Anfang 2022 berichteten Medien vielfach über die Einführung von Lis neuem Luxus-SUV L9.
XPeng-Gründer He Xiaopeng verantwortete Alibabas Mobil- und Gaming-Sparten, kaufte sich als einer der ersten in China einen Tesla. Dann wollte er selbst Elektrofahrzeuge bauen und gründete 2015 XPeng. Im ersten Quartal 2022 warnte He vor dem aktuellen Chipmangel und kündigte die Massenproduktion des fliegenden Autos X2 für 2024 an.
Auf Platz drei rangiert BYD-Chef Wang Chuanfu. Spätestens seit 2009 ist er einem breiten Publikum bekannt – in dem Jahr führte er die Liste der reichsten Chinesen an. Im Vorjahr hatte Warren Buffet in BYD investiert. Die Firma BYD produzierte Batterien und Akkus, bevor sie 2003 in den Automarkt einstieg.
Alle vier chinesischen CEOs sind sowohl online als auch in sozialen Medien stark vertreten. Die Berichterstattung über ihre Marken ist dabei viel stärker personalisiert als bei anderen Herstellern. Die Gründer teilen dabei ganz bewusst ihre Strategien und Visionen über die Medien, CEO und Marke sind ähnlich wie bei Elon Musk und Tesla eng miteinander verknüpft.
Den deutschen Herstellern fällt das deutlich schwerer. Wohl auch, weil hier schon geschichtlich bedingt kein Unternehmensleiter etwas mit der Gründungsgeschichte seiner Marke zu tun hat. Einzig der ehemalige Volkswagen-Chef Herbert Diess wurde in chinesischen Social Media Kanälen häufiger erwähnt.
Erfolgreiche Kommunikation durch richtiges Zuhören
Im Kampf um die Kundengunst setzen die deutschen Hersteller gekonnt ihre Markenattribute ein und nutzen die sozialen Medien in China dabei sehr gut. Aber im Bereich CEO-Kommunikation gehen die vorderen Ränge klar an die chinesischen Unternehmenslenker. Der Kommunikationskraft deutscher Hersteller tut dies bislang wenig weh und sie haben sich auf den zentral wichtigen Social Media gut positioniert. Nur wem es als Unternehmen weiterhin gelingt, durch das Zuhören an richtiger Stelle wertvolle Informationen zu erhalten, wird mit den richtigen Themen und Botschaften auch in Zukunft bei den chinesischen Kunden glaubwürdig punkten können.
Dr. Evelyn Engesser
Dr. Evelyn Engesser, SVP Consultancy at UNICEPTA