„Wichtig ist, das Verhalten des chinesischen Partners richtig einzuordnen“

Deutsch-chinesische Geschäftswelt: Nicht immer ist es einfach, den richtigen Partner zu finden. 德中商业合作:找到一个合适的合作伙伴,并不是件容易的事。Bildquelle: Fotolia; © meshmerize

Wie seriös ist ein potenzieller chinesischer Geschäftspartner? Ob eine Zusammenarbeit im Vertrieb oder in einem Joint Venture geplant ist oder ob man das eigene Unternehmen an einen Investor aus China verkaufen möchte, ein gründlicher Background-Check sollte vor einer Vertragsbeziehung stets durchgeführt werden. Nur so lassen sich unangenehme Überraschungen vermeiden. Worauf man achten sollte, erkärt Patrick Heid, Leiter des Shanghaier Büros der Kanzlei Graf von Westphalen.

Unternehmeredition: Auf welche Quellen in China kann ein deutsches Unternehmen zurückgreifen, um in einem ersten Schritt den Hintergrund eines potenziellen chinesischen Partners zu überprüfen?

Patrick Heid: Der erste Anlaufpunkt ist in der Regel das chinesische Handelsregister. Wie in Deutschland auch, lassen sich aus dem elektronischen Handelsregisterauszug die wesentlichen Unternehmensangaben des potenziellen chinesischen Partners oder Käufers herausfinden. Für weiterführende Informationen sollte man sich eine Kopie der physischen Handelsregisterakte besorgen und die Datenbank des chinesischen Obersten Gerichtshofes konsultieren, in der Unternehmen gelistet sind, gegen die ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist.

Welche einzelnen Punkte sollten abgeklopft werden?

Als erstes sollte natürlich überprüft werden, ob das chinesische Unternehmen überhaupt existiert. Im nächsten Schritt sehen wir uns dann gemeinhin das Gründungsdatum, die Identität der Gesellschafter, die Höhe des Stammkapitals sowie den Umfang an, indem dieses bereits eingezahlt worden ist. Vor allem Letzteres kann einen ersten Hinweis auf die Kapitalstärke des Unternehmens geben. Daneben sollte man sich vergewissern, wer im Register als gesetzlicher Vertreter eingetragen ist; anders als in Deutschland ist das übrigens in aller Regel nicht der Geschäftsführer bzw. General Manager, sondern der Chairman of the Board, der nach außen häufig weniger prominent, bei Staatsunternehmen of gar nicht in Erscheinung tritt. Schließlich ist zu klären, ob der genehmigte Unternehmensgegenstand des chinesischen Partners die geplante Zusammenarbeit beispielsweise im Vertrieb, bei einer Lohnfertigung oder einer (gemeinsamen) Investition abdeckt, da das beabsichtigte Geschäft anderenfalls häufig nicht realisierbar sein wird.

Was sind für Sie Warnzeichen bzw. Ausschlusskriterien?

Ein K.O.-Kriterium ist in der Regel immer, wenn sich vom Partner gemachte Kernangaben zum Beispiel zum Gesellschafterkreis, zur Kapitalausstattung oder zur Anzahl der Mitarbeiter beim Backgroundcheck als bewusst unwahr erweisen. Auch bedeutet es häufig das Ende der Gespräche, wenn sich herausstellt, dass die chinesische Seite bestimmte strategische Hintergedanken verfolgt, diese vor dem deutschen Partner aber geheimhält. So zum Beispiel kürzlich in einem Fall, in dem die chinesische Gesellschaft im Hintergrund bereits umfassend einen Börsengang vorbereitet hatte und das beabsichtigte Joint Venture nur dazu dienen sollte, diesen zu beschleunigen. Als dies dem deutschen Partner nur durch unsere Hintergrundrecherche bekannt wurde, war das Vertrauen dahin.

Bis zu welchem Punkt kann das deutsche Unternehmen diese Checks selbst durchführen und ab wann wird eine professionelle Beratung sinnvoll?

Das elektronische Handelsregister ist von jedermann und auch aus Deutschland heraus einsehbar. Da nur der chinesische Name als offizieller Firmenname gilt und der Handelsregisterabruf ebenfalls nur in chinesischer Sprache bedienbar ist, kommt man hier allerdings nur mit entsprechenden Sprachkenntnissen zum Ziel. Sollten Auffälligkeiten weitere Untersuchungen erforderlich machen, gelingt dies in der Regel nur mit Hilfe eines in China ansässigen Beraters, der sich nicht nur im chinesischen Recht auskennt, sondern auch mit den kulturellen Besonderheiten des chinesischen Geschäftsverkehrs vertraut ist. Auch für eine weitere Hintergrundrecherche jenseits der Handelsregisterdaten zu behaupteten Projekten, Kunden, Fertigungskapazitäten etc. vor Ort sowie im chinesischen Internet ist lokale professionelle Unterstützung meist unverzichtbar.

Wenn chinesische Unternehmen eine gute Chance sehen, wagen sie sich auch auf Geschäftsfelder vor, in denen sie wenig Erfahrung vorweisen können. Für den deutschen Partner kann dies ein Risiko darstellen. Wie sollte er damit umgehen?

Für die deutsche Seite ist es zunächst wichtig, das Verhalten des chinesischen Partners richtig einzuordnen: Da das Unternehmenswachstum chinesischer Firmen traditionell gelegenheitsgetrieben ist, ist es in China allgemein üblich, eine sich bietende Geschäftschance kurzfristig beim Schopfe zu packen, auch wenn man für die Durchführung der anvisierten  Zusammenarbeit oder die Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Transaktion bislang noch kein sicheres Konzept, sondern nur viele Ideen hat. Nach Vertragsunterzeichnung erweisen sich diese dann nicht selten als nicht oder nur sehr eingeschränkt realisierbar. Diese Herangehensweise ist normalerweise kein böswilliger Betrugsversuch, sondern eher Ausdruck einer besonderen chinesischen Risikoaffinität. Auch wenn die Absichten chinesischer Unternehmer für den Unternehmenserwerb oder für eine Zusammenarbeit in China auf den ersten Blick also sehr überzeugend klingen sollten, ist ein deutsches Unternehmen daher gut beraten, die Pläne des chinesischen Partners vor Signing auf ihre Plausibilität und ggf. ihren Implementierungsgrad hin zu überprüfen.

Welche weiteren kulturell bedingten Unterschiede im Geschäftsgebaren sollten auf der deutschen Seite beachtet werden?

Da gibt es natürlich so einige… Was mir immer wieder auffällt, ist die grundverschiedene Art und Weise, wie Chinesen und Deutsche versuchen, bei der anderen Seite Vertrauen in die eigene Kompetenz und Verlässlichkeit zu erzeugen: Ein deutscher Unternehmer ist mit Leistungsgarantien, Absatzprognosen und Zeithorizonten normalerweise eher zurückhaltend und weist seinen Geschäftspartner offen auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit seiner Produkte und seiner eigenen Organistation hin. Die chinesische Seite hingegen verhält sich häufig genau umgekehrt –  um ihr Engagement und ihren unbedingten Willen zum Gelingen des Geschäfts zu unterstreichen, verspricht sie Stolpersteine problemlos und in Rekordzeit zu beseitigen, bereits ambitionierte Umsatzprognosen noch zu übertreffen und sämtliche Produkte zeitgerecht in der erforderlichen Qualität und Menge liefern zu können. Dementsprechend fallen dann auf beiden Seiten die enttäuschten Erwartungen aus: Der Chinese beklagt den offensichtlich mangelnden Einsatz des deutschen Partners, während dieser von am Ende nicht eingehaltenen Zusagen oft stark enttäuscht ist. Hier gilt es vor allem in Verhandlungssituationen auf beiden Seiten ein realistisches Erwartungsmanagement zu betreiben.

Herr Heid, vielen Dank für das Interview.

 

Zur Person

Patrick Heid, LL.M.
Patrick Heid, LL.M.

Patrick Heid ist Rechtsanwalt und Partner bei GvW Graf von Westphalen und leitet seit 2010 den Standort der Kanzlei in Shanghai. Er ist spezialisiert auf die Beratung von Mittelständlern und Konzernen bei Unternehmensgründungen, M&A-Transaktionen sowie bei rechtlichen und strategischen Themen im operativen Geschäft in China. Darüber hinaus berät er chinesische Investoren bei Unternehmenskäufen in Deutschland. Patrick Heid verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in und mit China und spricht fließend Chinesisch.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch