Wie kann die Führung eines Unternehmens mit einem ungewollten Übernahmeversuch umgehen? Diese Frage stellte Prof. Dr. Kai Lucks, Vorsitzender des Vorstands des Bundesverbands M&A, den Teilnehmern einer Panel-Diskussion auf dem 15. Deutschen Corporate M&A-Kongress. Rund 250 CEOs, CFOs und weitere M&A-Verantwortliche aus Konzernen und großen mittelständischen Unternehmen versammelten sich im Bayerischen Haus der Wirtschaft in München, um sich zwei Tage lang über aktuelle Markttendenzen auszutauschen. In mehreren Panels und zahlreichen Präsentationen hatten die Corporate M&A-Experten ausführlich Gelegenheit, sich auf den aktuellen Stand im Beteiligungsgeschäft zu bringen und neue Kontakte zu knüpfen.
Bei Grammer kennt man die Antwort auf die Frage, wie man einen unerwünschten Investor abwehrt. Und kann dazu eine dramatische Geschichte berichten: Am 23. Dezember 2016 erhielt der Vorstand des Amberger Automobilzulieferers ein Schreiben von Cascade – zusammen mit Halog eines von zwei Investitionsvehikeln, hinter denen der bosnische Investor Nijaz Hastor steckt. Hastor hat in Deutschland nicht nur durch die spektakuläre Übernahme von Alno für Wirbel gesorgt – das Engagement endete erst kürzlich mit der Insolvenz des Küchenherstellers – auch mit VW haben sich der Bosnier schon angelegt. Im Sommer 2016 standen beim größten deutschen Autobauer mehrere Tage die Bänder still. Das Hastor-Unternehmen Prevent hatte in einem Streit mit VW zeitweise die Lieferungen eingestellt.
Unklare Motive
An den Ärger bei VW musste auch der Vorstand von Grammer denken, als er am Tag vor Weihnachten das Schreiben von Cascade mit einem Einberufungsverlangen für eine außerordentliche Hauptversammlung in Händen hielt. Wie Brigitte Steinbauer, Leiterin der Revision und des Konzernrechtswesen bei Grammer, auf dem M&A-Kongress berichtete, fanden Unternehmensführung und Berater in eilig während der Weihnachtsfeiertage einberufenen Meetings bald eine Lösung, den Antrag auf eine außerordentliche Aktionärsversammlung zunächst einmal abzuschmettern. Man war auch bereits auf die beiden neuen Investoren aufmerksam geworden. Doch weder Cascade noch Halog hatten vor dem ominösen Schreiben auf eine Kontaktaufnahme durch Grammer reagiert. Ziele und Motive der Großaktionäre blieben zunächst im Dunkeln.
Showdown im Frühjahr
Zum großen Showdown kommt es dann auf der ordentlichen Hauptversammlung am 24. Mai 2017. Hastors Anwälte fordern in ihren Anträgen die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrats und stellen drei eigene Kandidaten auf. Dem Grammer-Vorstand wollen sie das Vertrauen entziehen. Außerdem verlangen sie eine Überprüfung der Kapitalmaßnahme vom Februar des Jahres.
Neuer Ankerinvestor und Partner
Die Kapitalmaßnahme vom Februar hatte einen besonderen Hintergrund, auf den die Leiterin Rechtsabteilung von Grammer nur am Rande einging: Damals erwarb Ningbo Jifeng über eine Pflichtwandelanleihe einen Anteil von 9,2% an Grammer. Der chinesische Automobilzulieferer wurde zu einem Ankerinvestor und Verbündeten der Nordbayern im Kampf gegen Hastor. Bis zur Aktionärstreffen im Frühjahr konnte das Privatunternehmen aus der Provinz Zhejiang seine Beteiligung auf über 15% steigern. Dies sollte eine entscheidende Rolle in den dramatischen Stunden der Hauptversammlung spielen.
Aufwändige Vorbereitung
Grammer hatte im Vorfeld eine ganze Reihe von Abwehrmaßnahmen eingeleitet, um auf der Hauptversammlung möglichst viele Aktionäre zusammenzutrommeln. Mit deren Stimmen sollte den Anträgen von Hastor die Luft abgelassen werden. Dazu identifizierte man möglichst viele der Anteilseigner, um sie von der Wichtigkeit einer Teilnahme zu überzeugen. Grammer leistete Überzeugungsarbeit bei Stimmrechtsberatern und hielt die Medien auf dem Laufenden. Auch die Belegschaft half mit: Mehr als zweitausend Mitarbeiter versammelten sich vor den Toren der Veranstaltung, um ihrer Unterstützung für die Unternehmensführung Ausdruck zu verleihen.
Eine Frage der Präsenz
Das Schicksal von Grammer hängt also vom Erscheinen möglichst vieler Aktionäre auf der Hauptversammlung ab. Denn Cascade und Halog verfügen zu diesem Zeitpunkt zusammen über 22,59% der Anteile und würden natürlich vollständig vertreten sein. Tatsächlich finden sich dann so viele Anteilseigner wie nie zuvor in Amberg ein: Vertreter von insgesamt 67,17% des Grundkapitals sind vor Ort versammelt. Im Vorjahr waren es lediglich 42%. Auch der chinesische Partner Jifeng ist dabei. Die beiden Vehikel von Hastor kommen an diesem Tag dank der hohen Präsenz anderer Aktionäre lediglich auf ein Drittel der Stimmanteile. Und mit fast zwei Dritteln der Stimmen werden dann auch tatsächlich die Anträge der Bosnier abgeschmettert. Der Versuch einer Kontrollübernahme ist abgewehrt – zumindest dieses Mal.
Zusammenarbeit ausgebaut
Was auf dem Panel des M&A-Kongresses gleichfalls noch unerwähnt blieb: Die Zusammenarbeit zwischen Grammer und Jifeng hat sich seit der Hauptversammlung weiter vertieft. Mittlerweile hält der Zulieferer aus Ningbo mehr als 25% an den Ambergern und damit eine Sperrminorität, um mögliche weitere Angriffe von Hastor abwehren zu können. Beide Partner planen zudem die Zusammenarbeit in China und Asien zu vertiefen.
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