Schon 1979 erließ China das erste Umweltgesetz. In der Praxis aber hatte Wirtschaftswachstum stets Vorrang vor Umweltschutz. Mit der Reform des Umweltschutzgesetzes Anfang letzten Jahres, der Initiative „Made in China 2025“ und dem jüngst verabschiedeten 13. Fünfjahresplan weht nun ein neuer Wind in dem Riesenreich. Bernhard Felizeter, verantwortlich für den Bereich Environmental Services an der AHK in Peking, erläutert die praktischen Auswirkungen der neuen Politik – und die Chancen daraus für deutsche Unternehmen.
Unternehmeredition: Was hat sich seit der Reform des Umweltschutzgesetzes zum 1. Januar 2015 geändert?
Bernhard Felizeter: Das letzte Jahr hat gezeigt, dass die neuen erweiterten Sanktionsmöglichkeiten der seit Anfang 2015 geltenden verschärften Fassung des Umweltschutzgesetzes bei der sensibilisierten Öffentlichkeit eine größere Rolle spielen und von Lokalregierungen durchaus angewandt werden. In der Vergangenheit verschafften die weit verbreitete Nichteinhaltung der geltenden Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes und die unzureichende Ahndung von Verstößen vielen Unternehmen in China zum Teil deutliche Vorteile gegenüber Konkurrenten. Durch die neue Fassung mit merklich strengeren Sanktionen von bis zu 100.000 RMB pro Tag – das sind ca. 13.500 EUR – und der möglichen Verordnung von Produktionsstopps sowie Maßnahmen zur Steigerung von Transparenz werden die Wettbewerbsvoraussetzungen weiter angeglichen. Viele deutsche Produktionsunternehmen in China mussten wenig an ihren Anlagen ändern, da sie bereits nach deutschen oder europäischen Standards produzieren und daher gut für die Neuerungen des Umweltschutzgesetzes gewappnet waren. Darüber hinaus eröffnen die deutlich verschärften Emissionsregelungen im Gesetz aussichtsreiche neue Marktchancen für deutsche Unternehmen, die auf lokale Anforderungen angepasste Lösungen zur Effizienzsteigerung und Umrüstung von chinesischen Industrieanlagen anbieten.
Sowohl in dem Modernisierungsplan „Made in China 2025“ als auch im 13. Fünfjahresplan werden Umweltziele wie der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes genannt. Welche Impulse erwarten Sie daraus für die wirtschaftliche Entwicklung und die Investitionen der Unternehmen?
Die ambitionierten Ausbauziele Chinas im Bereich der erneuerbaren Energien sind langfristig energie- und industriepolitisch motiviert. Die chinesische Regierung sieht vermehrt Wachstumschancen in diesem Sektor und treibt bewusst die Entwicklung der eigenen Industrie weiter voran. Die derzeitige Transformation der Wirtschaft zu einem qualitativ nachhaltigeren Wachstum, das von technologischem Fortschritt und Innovationen getrieben sein soll, führt zu einem stärkeren Druck auf die lokalen Unternehmen im Hinblick auf Effizienzsteigerungsmaßnahmen, beispielsweise im Produktionsbereich. In diesem Zusammenhang ist auch der Mitte des vergangenen Jahres ausgerufene strategische Modernisierungsplan „Made in China 2025“ zu sehen, der für neue Impulse bei Innovationen sorgen soll. Die verschärften Zielvorgaben des 13. Fünfjahresplans rücken Themen wie erneuerbare Energieerzeugung, Recycling und Kreislaufwirtschaft, Wasserbehandlung sowie Elektromobilität in China stärker in den Vordergrund und eröffnen deutschen Unternehmen aus den Bereichen Energie- und Ressourceneffizienz sowie Umwelttechnologien neue Geschäftsmöglichkeiten.
Stellen Sie in Ihrer Praxis vermehrt Anfragen von chinesischen Unternehmen zur Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen oder Investitionsmöglichkeiten in deutsche Technologien im Bereich Umwelttechnik fest?
Wir können einen sichtbaren Anstieg von Anfragen chinesischer Unternehmen zur Zusammenarbeit mit deutschen Umwelttechnologieanbietern verzeichnen. Besonderes Interesse wird deutschen Lösungen zur Effizienzsteigerung und Energieeinsparung im Industrie- und Gebäudesektor, nachhaltigeren Energieerzeugung sowie innovativen Produkten und Technologien zur Luft-, Wasser- und Abfallbehandlung entgegengebracht. Auch Mess- und Regeltechnikprodukte zur Überwachung und Identifikation von Effizienzsteigerungs- und Einsparpotenzialen werden nachgefragt. In letzter Zeit erreichten uns vermehrt spezifische Anfragen bezüglich deutscher Lösungsanbieter für Kohlenstaubfeuerung in Kombination mit industriellen Kesselanlagen.
Wie schätzen chinesische Unternehmen deutsche Technologien im Vergleich zu anderen Anbietern aus Europa, den USA oder Japan ein?
Chinesische Unternehmen sind sich der weltweit führenden Stellung Deutschlands im Bereich Umwelttechnik bewusst und verbinden entsprechende deutsche Produkte grundsätzlich mit einem sehr hohen technologischen Standard und hochwertiger Qualität. Abhängig von der jeweiligen Produktkategorie und dem Preisniveau bestehen natürlich auch Unterschiede bei der Nachfrage. Während bei Luftreinigungsgeräten im Premiumsegment beispielsweise Anbieter aus der Schweiz und Schweden beliebt sind, werden japanische Hersteller im mittleren Segment verstärkt nachgefragt. Im Bereich wandhängende Heizgeräte sind unter den internationalen Anbietern deutsche Unternehmen führend, während Produkte aus Japan und den USA eine vergleichsweise untergeordnete Stellung einnehmen.
Wie sieht das Interesse von deutscher Seite aus? Welche Strategien sind für deutsche Unternehmen in China zur Erschließung des Umwelttechnikmarkts erfolgversprechend?
Während der Umweltschutzmarkt in Deutschland und vielen Ländern Europas bereits vergleichsweise weit entwickelt ist, stößt das in China in diesem Bereich vorhandene Entwicklungspotenzial auf großes Interesse bei deutschen Lösungsanbietern. Um im Umweltsektor in China erfolgreich zu sein, sind eine Präsenz vor Ort, fundierte Marktkenntnisse, qualifizierte chinesische Mitarbeiter und eine gute Marketing-Strategie entscheidend. Dabei gilt es, den Mehrwert der eigenen Produkte herauszustellen und die Vermarktung an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. Ausländische Unternehmen stehen außerdem zunehmender Konkurrenz durch einheimische Hersteller gegenüber. Auch wenn die Produkte chinesischer Anbieter, gerade in der Umweltbranche, hinsichtlich Effizienz und Qualitätsanspruch meist deutscher Technologie unterlegen sind, können sie durch niedrigere Preise punkten.
Was gibt es noch auf dem chinesischen Umwelttechnikmarkt zu beachten?
Die Entwicklung des chinesischen Marktes für Umwelttechnik verläuft sehr heterogen, die Rahmenbedingungen unterscheiden sich von Region zu Region zum Teil stark. Eine lokale Präsenz und das Verständnis für regionale Besonderheiten sind wichtig, wenn die Hauptkunden außerhalb der sogenannten First-Tier-Städte liegen. Auch die lokalen Behörden sind bedeutende Akteure, die es in Entscheidungsprozesse einzubinden gilt. Die sehr dynamische Entwicklung der Umweltbranche erfordert das regelmäßige Einholen neuer Informationen und eine gute Vernetzung innerhalb der Branche. Die Umweltabteilungen der deutschen Auslandshandelskammern in China sehen es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, deutsche Unternehmen hierbei zu unterstützen.
Herr Felizeter, vielen Dank für das Interview!
Ausführliche Informationen zum chinesischen Markt für Umwelttechnik und Energieeffizienz lesen Sie in der Titelstory der Ausgabe 2-2016 von „M&A China/Deutschland“.
Bernhard Felizeter ist Abteilungsleiter Environmental Services an der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking. Er ist dort für Fragen zum chinesischen Markt für Umwelt, Bauen, Elektromobilität, Kohlenstoffmarkt, Energieeffizienz und erneuerbare Energien verantwortlich und begleitet öffentlich geförderte Projekte. Außerdem ist er Chefredakteur des Econet Monitor Magazins, das neun Mal im Jahr erscheint. Darüber hinaus ist er mit Organisation von Veranstaltungen, Delegationsreisen sowie Umwelttrainings befasst.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch