Der Gang nach China stellt für viele deutsche Mittelständler nach wie vor eine große Herausforderung dar. Der Aufbau von Marktexpertise und Vertriebsnetzen ist aufwändig und kostspielig. Nicht jedem Unternehmer stehen die hierfür notwendigen Ressourcen zur Verfügung. Eine Option, die in bestimmten Situationen gerade auch für Familienunternehmen attraktiv sein kann, ist die Unterstützung durch einen Private Equity Investor, der sich auf den chinesischen Markt spezialisiert hat. Wie dies in der Praxis aussehen kann, erläutert Inna Gehrt, Leiterin des Frankfurter Büros von Mandarin Capital Partners, im Interview.
MA-Dialogue: Welche Vorteile kann ein spezialisierter Private Equity Investor einem deutschen Mittelständler beim Einstieg in den chinesischen Markt beziehungsweise dessen Erschließung bieten?
Inna Gehrt: Viele, meiner Meinung nach. Mandarin Capital Partners (MCP) wurde 2007 daher auch als erster Private Equity Fonds “Europe-to-China” mit eben diesem Zweck gegründet. Unser Beitrag geht weit über die bloße Bereitstellung von Kapital hinaus. Wir stellen sozusagen „intelligentes Geld“ zur Verfügung, das die von uns betreuten Unternehmen auch durch unsere Beratung vor Ort unterstützt.
Die Vorteile unserer Vorgehensweise dabei: Erfahrung mit ähnlich gelagerten Fällen und Unternehmen, die wir erfolgreich auf dem Weg nach China begleitet haben, sowie ein versiertes und gut vernetztes Team in China. Unsere Kollegen kennen sich mit den örtlichen Gegebenheiten und Fallstricken aus, verfügen über ein exzellentes Netzwerk und vermeiden so Rückschläge möglichst von vornherein.
Das Team hilft beispielsweise bei der Suche nach Vertriebspartnern und den entsprechenden Verhandlungen oder beim Identifizieren passender Zukaufkandidaten oder Joint-Venture Partnern sowie bei der Durchführung von Akquisitionen selbst. Auch beim Aufbau einer eigenen Produktionsstätte in China unterstützen wir, denn auch dies ist eine Aufgabe, die sehr gutes lokales regulatorisches Know-How und das passende Netzwerk erfordert. Ebenso wie übrigens die Einstellung qualifizierter lokaler Manager mit guten Englischkenntnissen.
Wichtig für den Erfolg ist, dass beide am selben Strang ziehen, also dass Unternehmer und Investor dieselben Ziele verfolgen. Unser Erfolg lässt sich auch messen: Die Portfoliounternehmen von MCP haben nach der Beteiligung von MCP und weiteren Investitionen ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 90% erreicht. Der Export nach China hat sich durchschnittlich versechsfacht.
Viele deutsche Mittelständler scheuen immer noch Beteiligungen durch Private Equity Investoren, beispielsweise selbst dann, wenn die Nachfolgefrage drängt. Wie können Sie hier Bedenken abbauen?
Ich sehe das etwas anders: Eine Studie von PwC aus diesem Jahr zeigt, dass sich 83% der befragten Familienunternehmen inzwischen eine Beteiligung von Finanzinvestoren vorstellen können. Bei der gleichen Umfrage vor sechs Jahren waren es gerade einmal 18%. Dazu passt auch das positive Gesamtbild, das viele Familienunternehmen mittlerweile von Private Equity haben. So sind gemäß dieser Studie 72% der Ansicht, dass Finanzinvestoren die von ihnen übernommenen Firmen operativ verbessern. 61% billigen Beteiligungsgesellschaften zu, den nachhaltigen Unternehmenserfolg zum Ziel zu haben.
Vor allem die Mittelständler benötigen aus meiner Sicht Private Equity: Etwa 620.000 mittelständische Unternehmen planen gemäß einer aktuellen KfW-Studie, ihr Unternehmen bis 2018 an Familienmitglieder zu übergeben oder zu verkaufen. Einen geeigneten Nachfolger zu finden, wird jedoch aufgrund sinkender Gründerzahlen immer schwieriger. Darüber hinaus werden laut dem Branchenverband BVK vor allem kleine und mittelständische Unternehmen durch Private Equity-Investoren unterstützt: 96% der im Jahr 2015 finanzierten Unternehmen beschäftigten weniger als 500 Mitarbeiter.
Welchen Vorteil hat das Ganze? Insgesamt gilt: Unternehmen können mit Private Equity meist deutlich mehr Kapital aufnehmen als mit einem Bankkredit und sind in der Regel zu klein, um am Kapitalmarkt Fremdkapital aufzunehmen. Eventuelle Bedenken können wir auch dadurch abbauen, indem wir im Detail aufzeigen, wie wir seit 2007 Mittelständler bei ihrer Expansion nach China unterstützen und wie sie davon profitieren können.
Welche Form der Beteiligung bevorzugen Sie?
Wie bevorzugen Mehrheitsbeteiligungen gemeinsam mit dem Management im Rahmen von Management Buy-Outs. In manchen Fällen gehen wir auch Minderheitsbeteiligungen ein oder Co-Investments mit strategischen Partnern.
Auf welche Branchen fokussieren Sie sich?
MCP investiert hauptsächlich in ihren Nischen führende, exportorientierte europäische Mittelständler, die den chinesischen Markt erstmalig oder verstärkt bearbeiten möchten. Vor allem geht es hier um Produktionsunternehmen, insbesondere B2B-Branchen wie Automatisierungstechnik, Komponentenbau oder Feinchemikalien. Die Gesundheitswirtschaft ist für uns auch sehr interessant, da wir insbesondere hier ebenfalls über umfangreiche Expertise verfügen; vor allem in Segmenten CMO, API, MedTech, MedIT. Also grundsätzlich Branchen, bei denen die Produkte zu höheren Effizienz und höheren Qualität der Kunden beitragen.
Wie sieht Ihr Netzwerk in China konkret aus?
In China haben wir fünf Kollegen vor Ort, die über langjährige Investment- Erfahrung verfügen – unter anderem bei der EXIM Bank und der Weltbank – und seit 2007 bereits zwölf mittelständige Unternehmen in China erfolgreich unterstützt haben. Das China-Team hat über seine langjährige Arbeit sehr gute Beziehungen zu den entscheidenden Behörden, sowohl national als auch auf lokaler Ebene. Dies ermöglicht die Beschleunigung von Genehmigungs- oder Zertifizierungsprozessen, die in China sonst sehr lange dauern können. Es bestehen aber auch gute und langjährige Beziehungen zu zahlreichen Industrieunternehmen.
Gibt es bestimmte Standorte die Sie bevorzugen?
Die Standorte mit dem für ausländische Unternehmen höchsten Potenzial sind Städte an der Ostküste rund um Shanghai, Guangdong und Fujian und deren Provinzen ebenso wie der Westen mit Sichuan und Chongqing.
Können Sie kurz ein konkretes Fallbeispiel nennen, wie Sie ein Unternehmen bei der Markterschließung in China unterstützt haben?
Gern. Gasket International in der Nähe von Mailand fertigt Ventil- und Dichtungskomponenten, die in erster Linie in Öl- und Gas-Pipelines zum Einsatz kommen. Das Familienunternehmen stand 2007 an einem Scheideweg: Der Wettbewerb expandierte mit allen Kräften nach Asien, während die Eigentümerfamilie mit der ungelösten Nachfolgefrage beschäftigt war. Wichtige Kunden verlagerten Teile der Produktion nach China und erhöhten damit den Druck weiter. Somit entschied die Familie, einen weiteren Investor ins Boot zu holen, der ihnen helfen sollte, Lösungen für die anstehenden Probleme wie den zunehmenden Wettbewerb und die notwendige Produktportfolioerneuerung zu finden. Allerdings wollte die Familie das Unternehmen nicht komplett veräußern. Eine Option war es, einen Teil der Aktien an einen Private Equity Investor zu veräußern.
In der angesetzten Auktion erhielt MCP den Zuschlag aufgrund seiner internationalen Aufstellung und Expertise in China. Die Übernahme wurde als Leveraged Buy-Out gestaltet. Das heißt, MCP hat den Erwerb teilweise mit einem – allerdings sehr moderaten – Bankdarlehen finanziert. Die Unternehmerfamilie Grenelli konnte den Verkaufserlös reinvestieren und erwarb einen Anteil in Höhe von 30%. Damit ermöglichte MCP der Familie, weiterhin an der Wertsteigerung des Unternehmens zu partizipieren.
Wie gingen Sie dann weiter vor?
MCP verpflichtete einen neuen CEO, der einen technischen Hintergrund mit Erfahrung im Private-Equity-Bereich verband und selbst einen signifikanten Eigenkapitalanteil am Unternehmen erwarb. Mit Unterstützung von MCP stieg Gasket sofort in den chinesischen Markt ein, stellte dort einen chinesischen CEO ein und gründete die Tochtergesellschaft Gasket China. Bereits neun Monate nach dem Transaktionsabschluss, im Dezember 2009, konnte ein Werk in Suzhou eröffnet werden. Innerhalb von nur drei Jahren wuchs der in der Volksrepublik erzielte Umsatz rasant auf knapp 18 Mio. EUR. MCP führte Gasket bei vielen neuen Kunden ein – so zum Beispiel bei Petrochina –, die schnell einen hohen Umsatzanteil ausmachten. Das chinesische Werk wurde schließlich auch zu einem guten Sprungbrett für den US-amerikanischen Markt, der zunächst aus China beliefert wurde.
In Italien unterstützte MCP Gasket außerdem bei einem Joint Venture für die Produktion von speziellen Kugeln. Dieses wurde 2012 komplett übernommen. Dieser Geschäftsbereich brachte allein 2012 einen zusätzlichen Umsatz in Höhe von 10 Mio. EUR. Insgesamt stieg der Umsatz von 33 Mio. EUR vor unserem Investment auf 74 Mio. EUR zum Zeitpunkt des Verkaufs im Juli 2013. Gasket wurde an das französische Industrieunternehmen Hutchinson SA veräußert, das wiederum zum französischen Konzern Total gehört. Das EBITDA zum Zeitpunkt des Exits betrug das Doppelte vom Einstiegs-EBITDA. Die Familie verkaufte ihre Anteile zusammen mit MCP an Hutchinson und konnte somit an der Wertsteigerung aufgrund des starken Wachstums in China partizipieren. Gasket ist weiterhin ein eigenständiger Teil des Total-Konzerns und in China sehr aktiv.
Frau Gehrt, vielen Dank für das Interview.
Inna Gehrt leitet seit Dezember 2016 das Frankfurter Büro von Mandarin Capital Partners, einem italienisch-chinesischen Private-Equity Investor. Hier berät sie deutsche mittelständische Unternehmen bei der Expansion nach China.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch